Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


Kategorie: Musik

  • Martenstein hadert mit der Kunst

    Beim Aufräumen fiel mir eine alte Martenstein-Kolumne von Anfang 2007 in die Hand, in der er anlässlich des Skandals um Neuenfels Idomeneo-Inszenierung an der Deutschen Oper Berlin mit moderner Kunst hadert. Lesenswert und witzig wie immer.

    Inhaltlich passt die Kolumne auch zu meinem vorletzten Eintrag, indem es um die Frage ging, was Kunst und Ökonomie voneinander lernen können. Während in der Wirtschaft Innovation und Fortschrittlichkeit durch das Kriterium der Nützlichkeit aussortiert werden, ist das in der Kunst nicht möglich. Dadurch wird Innovation (oder was als solche erscheint) häufig schon als Wert an sich gesehen. Dazu Martenstein:

    Ein neuer Kunststil dagegen beruft sich oft lediglich auf die Tatsache, anders zu sein, und das ist genauso ein Schwachsinn, als ob man die Geranien mit der Blüte nach unten einpflanzt und dies zum Fortschritt im Gartenbau erklärt.

  • Nochmal: Gedopte Musiker

    Heute habe ich entdeckt, dass es vor kurzem einen kurzen Artikel im Focus über das auch hier bereits thematisierte Problem des »Dopings« bei Musikern gab. Dort werden ein paar interessante Zahlen genannt:

    • – 50 % der deutschen Orchestermusiker leiden unter Auftrittsangst, die über normales Lampenfieber hinausgeht. Speziell Stimmführer und Solisten sind gefährdet.
    • – Ein Drittel bekämpft die Angst mit Alkohol und Betablockern.
    • – 20% sind über das Ausmaß der eingenommenen Mittel besorgt.

    Focus Nr. 15/2008, S. 68.

  • Links: Wolfgang Wagner dankt ab

    Jetzt ist es amtlich: Wolfgang Wagner tritt noch in diesem Jahr als Leiter der Bayreuther Festspiele ab. Ich belasse es hier bei einer kleinen Zusammenstellung der interessantesten Links:

    Wagners Rücktrittsschreiben

    Sehr guter Hintergrundbericht von Julia Spinola in der FAZ. Vor allem interessant, dass es keinerlei Verpflichtung der Findungskommission gibt, die beiden Wolfgang-Töchter tatsächlich zu inthronisieren. Vielleicht steht der dramaturgische Höhepunkt in dieser Sache noch aus…?

    Claus Peymann haut wieder einmal auf die Kacke und meint, der beste Opernregisseur solle anstatt der Wagner-Töchter auf den Leitungsposten, seiner Meinung scheint das Jürgen Flimm zu sein. Flimm hatte 2002 einen Ring in Bayreuth inszeniert, der Peymanns Einschätzung allerdings nicht stützt.

    Angesichts der komplizierten Familienverhältnisse hat die SZ einen Stammbaum erstellt. Die 1867 geborene Tochter Richard Wagners Eva scheint demnach immer noch zu leben.

  • Lang Lang gedopt?

    Durch ein Interview mit dem Pharmakologen und Doping-Experten Fritz Sörgel, das ich gerade gehört habe, bin ich auf ein sehr interessantes Tabuthema gestoßen und zwar: Doping im Kulturbereich. Das klingt vielleicht erstmal nach einem blöden Witz, ist aber durchaus nicht so gemeint. Kürzlich schrieb ich im Zusammenhang mit Trip to Asia über den immensen Leistungsdruck bei Musikern. In dem Film klang bereits an, dass Alkoholkonsum für manchen eine Strategie sein kann, diesen Druck zu kompensieren. Allerdings ist Alkohol natürlich keine leistungssteigernde Substanz im Sinne des Doping.

    Wohl aber sind es die nach Sörgel in Musikerkreisen ebenfalls durchaus verbreiteten Beta-Blocker, die gegen Nervösität und Panik helfen, indem sie die durch Stress und Belastung steigende Herzfrequenz senken; indirekt erhöhen sie so auch die Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit. Wer sich als Instrumentalist in einem Wettbewerb oder Probespiel auf diese Weise einen Vorteil verschafft, würde im Sport als gedopt gelten. Ritalin, das zur Behandlung von ADS eingesetzt wird, wirkt bei gesunden Menschen als »Brainbooster« und wird deswegen auch bei Lernstress eingeworfen. Ein Schauspieler, der Faust oder Wallenstein zu spielen hat, kommt da sicher auch leicht in Versuchung. Vielleicht muss zukünftig nicht nur bei der Olympiade und der Tour de France kontrolliert werden, sondern auch bei den Salzburger Festspielen?

  • Abbado-Jubiläumsbox

    Über all die Feierlichkeiten zu Karajans 100. gerät etwas in Vergessenheit, dass sein Nachfolger Claudio Abbado dieses Jahr 75. Geburtstag feiert, wenngleich erst am 26. Juni. Vielleicht arbeitet die DGG ja noch dran, ich jedenfalls präsentiere hier schon mal die Aufnahmen, die meine Erachtens in eine Abbado-Jubiläumsbox gehören würden.

    Mahlers Neunte mit den Berliner Philharmonikern. Die Aufnahme ist nicht perfekt, aber gerade der letzte Satz widerlegt eindrucksvoll die mitunter geäußerte Meinung, Abbado habe den phänomenalen Einheits-Schönklang des Orchesters ruiniert, den Karajan in jahrzehntelanger Arbeit kultiviert hat. Hier wird klar: Nur weil er ihn nicht jedem Werk aufdrückt, egal ob von Bach, Beethoven oder Bruckner, ist der Klang noch lange nicht verloren gegangen. Gerade die „pianissimo-Kultur“ am Ende des letzten Satzes, die auch Leonard Bernstein bei der Aufführung des gleichen Werks mit dem gleichen Orchester in Erstaunen versetzt hatte, ist nach wie vor einzigartig. (mehr …)

  • Bühnenfestspiel hinter den Kulissen

    Die ans Herz gehende Versöhnung der zerstrittenen Wagner-Familie, die gerade ausgiebig die Runde durch die Feuilletons macht, ebenso wie der Schlagabtausch zwischen Berliner Staatsoper und Senat bestätigt meine alte These, dass das, was im Theater hinter den Kulissen passiert, in aller Regel sehr viel spannender ist als das, was auf der Bühne geschieht. Bei den Wagners denke man sich einfach hochdramatischen Gesang und machtvolles Orchestertosen dazu und fertig wäre das Bühnenfestspiel. Allerdings kein sehr originelles, denn die Charaktere kommen einem allesamt bekannt vor, wenn man die anderen Musikdramen kennt.

    Weitere Links:
    Frankfurter Rundschau: Katharina Wagner will mit Thielemann arbeiten
    Süddeutsche: Wunder der Osmose
    Katharina Wagner in der Welt: Bayreuth muss wieder interessant werden
    Und die ausgebootete Nike Wagner in der FAZ: Das ist doch ein Spiel gegenseitiger Erpressungen

  • Karajan-Links

    Am vergangenen Samstag war es genau 100 Jahre her, dass Herbert von Karajan geboren wurde und während die Geburtstags-CD- und -DVD-Editionen schon Wochen vorher in den Läden lagen, gab es jetzt eine Flut an Artikeln und Portraits in den Feuilletons.

    Dabei durften Artikel über seine NSDAP-Vergangenheit natürlich genauso wenig fehlen wie solche über die seine fragwürdige Selbstikonographisierung oder seinen speziellen Einheits-Schönklang. Sehr gut, weil sehr ausgewogen, finde ich das Portrait von Julia Spinola in der FAZ. Die Artikel sind übrigens allesamt besser, als das, was man in dem Zeit Geschichte-Heft über Karajan zu lesen bekommt. Gefehlt hat mir nur ein Artikel über das hochinteressante Thema »Karajan und das Geld«, dem Klaus Umbach sich in dem Zeit-Heft widmet.

    In der ZDF-Mediathek gibt es auch einen Jubiläumsfilm mit dem Titel »Karajan: Die Schönheit, wie ich sie sehe«. Momentan passiert dort allerdings leider nichts, aber dass muss bei der Mediathek nichts heißen.

  • Das Rheingold III: In Hamburg nichts Neues

    Hamburger Ring Vielleicht erschließt sich das im vorangegangen Eintrag erwähnte Sensationelle am Stuttgarter Rheingold nicht absolut, aber relativ zu anderen Inszenierungen, zum Beispiel der, die kürzlich an der Hamburgischen Staatsoper herausgekommen ist (unter diesem Link gibt es auch ein Video, das einen ganz guten Einblick in die Inszenierung gewährt). Denn was Claus Guth und sein Bühnenbildner abliefern ist souveräne, routinierte, heutige, im Ergebnis überraschungsfreie Regietheater-»Lesart«. Hier ein paar Beispiele: (mehr …)

  • Das Rheingold II: Das Stuttgarter Rheingold

    Stuttgarter RheintöchterIn nahezu jeder Hinsicht ein Gegenteil zum Rheingold-Film von Karajan ist die Inszenierung von Joachim Schlömer aus dem viel diskutierten Stuttgarter Ring. Die Personenregie ist um ein vielfaches lebendiger und schildert sehr viel genauer (oder überhaupt) die emotionalen Zustände und die Konflikte zwischen den handelnden Personen. Man versteht, warum Alberich nach der Demütigung durch die Rheintöchter das Rheingold entwendet, man merkt, dass es einen Konflikt zwischen den Riesen und den Göttern und zwischen Wotan und Fricka usw. gibt. Die Personen agieren tatsächlich so menschlich, wie es bei Wagner angelegt ist. Wo bei Karajan praktisch jede schauspielerische Aktion fehlt, wird in dieser Inszenierung allerdings nicht selten mit dem kleinen Repertoire einschlägiger Operngestik überperformt, was unterm Strich genauso wenig glaubwürdig, nur nicht ganz so langweilig ist. (mehr …)

  • Keine abendfüllende Statur: Trip to Asia

    Die Berliner Philharmoniker sind eine der deutschen Kulturmarken schlechthin und haben als solche luxuriöse Möglichkeiten der Markenprofilierung, z.B. mittels Kinofilmen. Rhythm Is It! war ein sensationelles Beispiel dafür. Der Film »Trip to Asia«, eine Dokumentation einer Asienreise des Orchesters, ist ein weiterer Versuch. Mit dem Verweis, dass er vom gleichen Regisseur wie »Rhythm Is It!« stammt, sind die Erwartungen hoch gesteckt und um es gleich vorweg zu nehmen: sie werden nicht eingelöst. (mehr …)