Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


Kategorie: Musik

  • Mozart-Hass-Zitate

    Mozart finden alle gut. Unter den Vorzeichen, dass Ruhm Kennerschaft verüberflüssigt, muss er einem direkt suspekt werden (s. in diesem Zusammenhang auch…). Laut Falco war er schließlich nicht weniger als Superstar und Rockidol. Die folgenden Mozart-Hass-Zitate sind deswegen ausgesprochen erfrischend, zumal sie von Leuten stammen, denen man Kennerschaft nicht grundsätzlich absprechen kann.

    If a man tells me he likes Mozart, I know in advance that he is a bad musician. – Frederick Delius

    Mozart ist eher zu spät als zu früh gestorben. – Glenn Gould

    Most of Mozart’s music is dull. – Maria Callas

    Die Sinfonie in g-Moll besteht aus acht bemerkenswerten Takten umgeben von einer halben Stunde Banalität. – Glenn Gould

    Gibt es noch weitere schöne Hass-Zitate?

  • Shining eyes mit Benjamin Zander

    Eigentlich halte ich die Behauptung, dass Musik eine universelle Sprache ist, die jeder versteht, die alle Grenzen überwindet usw. für musiksoziologisch verklärtes Blabla. Aber nicht aus dem Munde des Dirigenten Benjamin Zander, der zwar Engländer ist, aber eine sehr amerikanische Begeisterungs- und Lehrfähigkeit hat, die an Leonard Bernstein erinnert. Denn Zander »beweist« in diesem Clip, dass es niemanden gibt, der mit klassischer Musik nichts anfangen kann.

  • Kulturmarketing 2.0

    Nicht nur aufgrund der zahlreichen Beispiele in der Web 2.0-Serie des Kulturmarketing-Blog, sondern auch durch aktuelle Gespräche bekomme ich das Gefühl, dass Web 2.0 in Kultureinrichtungen ein Thema wird und auch hier mit einiger Verspätung ein gewisser Hype entsteht. Mitunter werden die Möglichkeiten äußerst euphorisch und optimistisch eingeschätzt, mit Web 2.0 neues Publikum erschließen zu können. Da man mittlerweile in etwa weiß, was das Web 2.0 kann und was nicht, könnte das Kulturmarketing diese Hype-Phase eigentlich überspringen und von vornherein mit ganz pragmatischen und realistischen Erwartungen an das Thema herangehen.

    Live-Übertragungen von Events halte ich da zum Beispiel für nicht sonderlich erfolgsversprechend. Sei es ein Orchesterkonzert der Musikhochschule Rostock, die Wiederaufnahme der Meistersinger bei den Bayreuther Festspielen oder Konzerte aus Aspen oder Aix-en-Provence (geniale Seite!), die Faszination klassischer Musik vermittelt sich wohl kaum über PC-Monitor und -Boxen. Das gilt insbesondere, wenn es nicht um die großen, eingängigen Hits geht, zu denen ich die Meistersinger schon nicht mehr rechnen würde. Es mag funktionieren, einen Eindruck von dem zu vermitteln, was die Besucher erwarten dürfen. Streams und Clips werden aber eine schlechte Alternative zur Live-Veranstaltung bleiben und auch nur für Personen in Frage kommen, die sowieso auch ins Konzert gehen würden.

    Neues Publikum gewinnt man nicht mit neuen Medien, sondern mit einer neuen, web 2.0-gemäßen Haltung. Die besteht darin, den Dialog und die Vernetzung mit den BesucherInnen zu suchen, und zwar auf Augenhöhe. Gerade im Bereich der Hochkultur gilt es da m.E. zunächst, einigen Dünkel gegenüber dem Publikum über Bord zu werfen und es nicht nur als stumpfe, konsumistische, tendenziell ignorante Masse wahrzunehmen, die es zu gutem Geschmack zu erziehen gilt. Bevor man diese neue Haltung nicht verinnerlicht hat, wird man das Web 2.0 auch nicht erfolgreich nutzen können.

  • Heidenreichs Bayreuther Visionen

    Seit einiger Zeit veröffentlicht die FAZ so genannte Bayreuther Visionen, auf die ich hier zu deren Beginn mal verlinkt habe. Es ist schon sehr bezeichnend für die ignorante Selbstbezogenheit und Routine der maßgeblichen Opernmenschen, dass ausgerechnet Elke Heidenreich als Leiterin der Kinderoper Köln die bislang querdenkerischsten und originellsten Ideen beisteuert und es nicht bloß bei wohlfeilen Mahnungen über falsch verstandenes Traditionsbewusstsein belässt.

    Ihre »Vision«, Aufführungen auf eine Großbildleinwand vor dem Festspielhaus und per Livestream im Internet zu zeigen, wird jetzt allerdings noch unter Wolfgang Wagners Intendanz Wirklichkeit. Dass man für die Freischaltung des Livestreams 49 Euro zahlen muss, davon ist bei Heidenreich allerdings nicht die Rede.

    Erstaunlich und direkt wohltuend ist übrigens, wie ungewohnt zurückhaltend sich Peter Konwitschny zu der ganzen Angelegenheit verhält. 😉

  • Bio ist besser – auch bei Musik

    »Die ganze Barockmusik ist langweilig« schreibt Herbert Rosendorfer in einer Glosse in der aktuellen Rondo (gehe zu S. 20). Als Ausnahmen lässt er nur Bach, Händel, Telemann und Vivaldi gelten. Die Werke anderer Barockkomponisten sind seiner Meinung nach zu Recht vergessen. Da ist was dran.

    Das Genörgel an historischer Aufführungspraxis dagegen zeugt von Unkenntnis und schlechtem Geschmack. Rosendorfer spricht hier von: »Bio-Musik sozusagen, naturbelassen« und entblödet sich nicht, zu behaupten, Mozart habe sich den Klang moderner Instrumente beim Komponieren gewünscht. Man muss nur mal die Don Giovanni-Einspielungen von Karajan und Jacobs im Vergleich hören, um diesen Gedanken alsbald als untauglich zu verwerfen. Hier klebrig-breiiger Schönklang, der die Möglichkeiten moderner Instrumente vollends kultiviert, dort agile, fein nuancierte Klangrede auf Basis des »dünnen« Klangs alter Instrumente. Jacobs Akademie für Alte Musik zeigt übrigens nicht nur in dieser Aufnahme, dass historische Instrumente nicht schlecht klingen müssen.

    Rosendorfer erlaubt sich hier den gleichen gedanklichen Kurzschluss wie Regisseure, die glauben, Opern des 18. Oder 19. Jahrhunderts ins Hier und Heute übersetzen zu können oder Komponist Arnecke, der heutige Themen mit Mitteln der Oper vermitteln möchte. Aber Mozarts Kompositionen sind wie die Werke jedes anderen Künstlers auch nur zu verstehen, wenn sie vor dem Hintergrund ihrer Entstehungszeit interpretiert werden. Einzelne Aspekte zu isolieren bedeutet, das Werk zu verzerren, denn auch in diesem Fall schreibt das Werkzeug bzw. das Medium (18.-Jhd.-Orchester) an den Gedanken (Musik) mit.

    Auch wenn man die Fortschritts-Logik der Bio-Metapher weiterdenkt wird’s klar: Erdbeerjoghurt mit künstlichem Aroma schmeckt vielleicht erdbeeriger als jeder Biojoghurt mit echten Früchten. Aber deswegen noch lange nicht besser.

  • Kulturerleben virtuell

    Im Kulturmarketingblog kam kürzlich in den Kommentaren der Gedanke zur Sprache, dass das Web 2.0 interessante Möglichkeiten für das Marketing von kulturellen Veranstaltungen biete, es sich aber bei dem eigentlichen Angebot um ein alle Sinne ansprechendes Erlebnis handele, das sich eben nicht virtualisieren lasse. Die Hochschule für Musik und Theater in Rostock hat diese Diskussion offenbar nicht verfolgt, denn sie überträgt das Konzert des Hochschulorchesters am 12. Juni erstmals per Livestream im Netz. Angehörigen ausländischer StudentInnen soll so die Teilnahme am Konzert ermöglicht werden. Ich verstehe nicht, warum man das Konzert dann nicht gleich dauerhaft zum Download anbietet, aber vielleicht genau, um einen Rest des flüchtigen Ereignischarakters zu bewahren.

  • Unternehmensberater-Oper

    Vermutlich hat keiner Schwierigkeiten, sich eine rundum gut gemachte, humorvolle aber nicht oberflächliche TV-Serie über das Leben und Leiden von Unternehmensberatern vorzustellen. Schließlich gibt es zahlreiche gute Anwaltsserien wie »Boston Legal«, »Damages« oder selbst noch »Unschuldig«. Da ist der Unternehmensberater nicht weit entfernt. Aber eine Oper über Unternehmensberater? Das klingt doch eher nach einem dummen Scherz. Gibt’s aber echt. Von einem Komponisten, der auch schon eine Aids-Oper und eine Illegale-Einwanderer-Oper geschrieben hat.

    Arnecke meint, neue Kompositionen müssten sich mit unserer Wirklichkeit befassen. Und glaubt wohl, es gehe allein um den Inhalt und da sei letztlich egal, über welches Medium der sich mitteile. Als Nietzsche eine Frühform der Schreibmaschine ausprobierte, sagte er: »Unser Schreibzeug arbeitet mit an unseren Gedanken« – das heißt, der Inhalt formuliert sich nicht unabhängig von seinem Träger. Und eine Oper über Unternehmensberater kommt mir da vor wie eine Bedienungsanleitung für einen DVD-Player, die in Keilschrift verfasst ist.

  • Sag mir, welche Musik du magst

    … und ich sage dir, wer du bist. Nach diesem Motto verfährt ein Test, der am Institut für Musikphysiologie und Musikermedizin an der HTM Hannover entwickelt wurde. Mein Testergebnis lautet:

    Sie gehören am ehesten zu Typ 3: konventionelle und peppige Musik

    Verschiedene Studien haben herausgefunden, dass Menschen, die die gleichen Angaben wie Sie machen, gerne konventionelle und peppige Musik hören. Diese klingt dann oft eher einfach, fröhlich und aufbauend. Die Musikhörer mit Ihrem Musikgeschmack sind diesen Studien nach eher extrovertiert, gewissenhaft und sozial verträglicher (d.h. sozialer und hilfsbereiter). Gleichzeitig sind sie weniger offen für neue Erfahrungen und stärker an gesellschaftliche Hierarchien angepasst.

    Scheint auch noch sehr beta zu sein. Oder erkennt mich da etwa jemand wieder? 😉

    Via unkultur

  • Hagen-Quartett in der Glocke

    Gestern war ich in einem sehr beeindruckenden Konzert des Hagen-Quartetts im Kleinen Saal der Glocke – übrigens ein wirklich miserabler Konzertsaal, da man alle paar Minuten das Grollen der draußen vorbeifahrenden Straßenbahnen hört. Bei Bruckner wäre das vielleicht nicht so wild, aber bei Kammermusik ist das eine ziemliche Beeinträchtigung. Trotzdem war es ein tolles Konzert. Überhaupt macht mir Kammermusik zumeist nur live wirklich Spaß, da es hier noch mehr als bei Orchestermusik auf feinste Nuancen ankommt, die vom Mikrofon nur schwer einzufangen und von Verstärker und Lautsprecher nur schwer wiederzugeben sind. Besonders deutlich wurde das an Janáčeks Streichquartett Nr. 1, einer wirklich packenden Mischung aus avancierter Tonsprache und unmittelbarer emotionaler Intensität. Vorab gab es ein Quartett von Haydn, was mich wieder einmal in der Überzeugung bestätigt hat, dass dessen Musik ein echtes Vergnügen ist, wenn sie gut und mit viel Sinn und Verstand gespielt wird. So, wie es gestern der Fall war.

  • Lennon läuft sich warm

    Julian Lennons Album Photograph Smile aus dem Jahr 1998 gehört für mich zu den besten Pop-Alben aller Zeiten: es ist eingängig, aber nie banal, es ist gekonnt arrangiert aber nie verfrickelt oder routiniert und es ist originell und stilistisch eigenständig. Deswegen bin ich seit 98 gespannt auf das Nachfolger-Album. Das war erst für 2002, dann für 2007 und jetzt für 2008 angekündigt. Dafür, dass es dieses Jahr tatsächlich etwas werden könnte, sprechen die vier Songs, die es (im Rough Mix) bereits jetzt auf Lennons myspace-Profil zu hören gibt. Diese Stücke hauen mich allerdings nicht vom Hocker. »Saltwater« ist nett, möglicherweise aber auch nur, wenn man die Originalversion (von Help Yourself) kennt, die noch kein beschwingt-melancholischer Reggae war. Nichtsdestotrotz hat Greenpeace es zu seiner Hymne gemacht. Mal abwarten, vielleicht holt Lennon beim Endmix noch was raus oder es handelt sich um die Stücke, die er zum Warmlaufen brauchte.