Mozart mal so

Veröffentlicht von Christian Holst am

Nachdem ich neulich von René Jacobs Einspielung des Weihnachtsoratoriums geschwärmt habe, möchte ich heute über seine Don Giovanni-Aufnahme schwärmen. Sie ist ein Beweis für meine gestrige These, dass gute Musik vor allem auch eine Frage der Interpretation ist. Bei Jacobs erübrigt sich jedenfalls die Frage, ob es unbedingt noch eine weitere Aufnahme von diesem Werk geben muss, an dem sich mittlerweile ja auch schon etliche Alte Musik-Experten abgearbeitet haben. Im Unterschied zu denen kann Jacobs sich aber alles Rechthaberische verkneifen. Sein Ansatz klingt nach: »Warum nicht mal so?« Und als Zuhörer denkt man: »Ja genau, warum nicht mal so?«

Ein Beispiel: Die berühmte Champagner-Arie dirigiert Jacobs ungewöhnlich langsam. Normalerweise wird sie zum Bravourstück für den Dirigenten, mit dem er zeigen kann, bei welch enormen Tempo er Orchester und Sänger noch zusammenhalten kann. Jacobs dagegen gibt der Arie durch das langsame Tempo eine tänzerische Leichtigkeit die zeigt, dass Don Giovanni nicht nur skrupelloser Draufgänger, sondern auch ein charmanter Verführer ist.

Wenig rechthaberisch wirkt Jacobs Aufnahme auch aufgrund der vokalen Improvisationen und Freiheiten in der Tempogestaltung, die natürlich nicht zwingend, aber immer sehr sinnfällig sind. Im Booklet erfährt man, dass Mozart es »für phantasielos und grob gehalten« hätte, auf solche Verzierungen und Freiheiten wie heute meistens üblich zu verzichten. Zurecht muss man sagen, wenn man Jacobs Aufnahme kennt! Denn hier werden beispielsweise die Themen der Arien immer wieder in der Rezitativbegleitung aufgegriffen, wodurch sozusagen interne Links geschaffen werden. Ein anderes schönes Beispiel ist Zerlinas »Batti, batti«-Arie, in der sie ihren Verlobten zu überzeugen versucht, dass er zu unrecht eifersüchtig ist. Die mal scharfen, mal schmeichelnden Verzierungen und Vorschläge der Sängerin und ungewohnt gesetzte Akzente im Orchester machen dabei deutlich, dass Zerlina nicht bloß sanft-devotes Gesäusel von sich gibt (»Wie ein Lämmchen will ich deine Prügel erwarten«), sondern es sich dabei um berechnende Koketterie handelt. Man muss Zerlina also nicht zur Pornodarstellerin machen, um das rüber zu bringen. 😉


1 Kommentar

Bio ist besser - auch bei Musik | Kulturblogger · 13. Juni 2008 um 22:45

[…] beim Komponieren gewünscht. Man muss nur mal die Don Giovanni-Einspielungen von Karajan und Jacobs im Vergleich hören, um diesen Gedanken alsbald als untauglich zu verwerfen. Hier klebriger […]

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