Kultur 2.0: Zwei Projekte zeigen, wie es geht

Veröffentlicht von Christian Holst am

In Karin Janners Interviews zum Thema Online-Marketing in Kultureinrichtungen fielen die Diagnosen über den Status quo relativ ernüchternd aus. Ich habe mich dabei noch ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt und behauptet, Web 2.0 werde in fünf Jahren ganz selbstverständlicher Bestandteil der Marketingkonzeption von Kultureinrichtungen sein. Zwei kürzlich gestartete Projekte machen mir Mut, dass ich Recht haben könnte.

Das eine ist das vorgestern gestartete Blog der Duisburger Philharmoniker mit Namen dacapo. Meines Wissens der erste ambitionierte Versuch einer großen, öffentlich finanzierten Kulturinstitution in Deutschland, das Web 2.0 zu nutzen. Das Blog enthält kleinere Berichte aus der Arbeit des Orchesters, Konzertankündigungen, kurzfristige Infos zur Verfügbarkeit von Karten, Fotos und Filme von Proben etc. Um das Blog auch den weniger internetaffinen Konzertbesuchern schmackhaft zu machen, gibt es eine Nutzungsanleitung. Gute Idee. Vielleicht sollte man für die Schrift einen besseren Kontrast wählen und noch erklären, wie man sie größer stellt. Wer nicht (mehr) so gut sieht, hat sonst mit Sicherheit Probleme. Schade finde ich, dass das Blog unter eigener Domain läuft. Offenbar hat man sich noch nicht ganz getraut, den kompletten Internetauftritt der Philharmoniker entsprechend umzustellen. Aber das kann ja noch kommen. Jedenfalls sollte dieses Projekt Schule machen!

Das andere ist loge2.de, eine Kultur-Community. Wer sonst nur Kulturbanausen als Freunde hat, findet hier Gleichgesinnte, die ihn oder sie zu Kulturveranstaltungen begleiten. Außerdem kann man Veranstaltungen eintragen und bewerten und direkt Tickets buchen. Momentan liegt der Schwerpunkt noch auf Veranstaltungen in und um Berlin. Auch das ein viel versprechendes Projekt, das umso besser funktionieren wird, je mehr Leute mitmachen und vor allem auch, je mehr Kultureinrichtungen ihre Veranstaltungskalender anschlussfähig (z.B. RSS) machen.


11 Kommentare

Klaudia · 18. September 2008 um 9:30

hehe, bei loge2 habe ich mich gleich mal angemeldet. Ich dachte nämlich du sprichst mit gerade höchstpersönlich an „Kulturbanausen als Freunde“ 😉

Es ist tatsächlich höchste Zeit, dass sich im Kulturbereich und Online-Marketing endlich was tut. Ich bin ständig auf der Suche nach interessanten Veranstaltungen. Leider sind Infos der Veranstalter oft leider kaum zu finden oder ziemlich unzureichend und oft auch nicht ästhetisch ansprechend, sprich abschreckend.

Das hält mich dann oft davon ab, überhaupt irgendwas über ein Event zu schreiben. Zu viel Arbeit für mich und wenn bei mir selbst der Funke nicht überspringt, dann ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass ich das meinen Lesern vorschlage.

dacapo finde ich sehr interessant. Ich bin überzeugt, dass so ein Online-konzept so einige neugierige Musikliebhaber anlocken wird.

WebTeam Duisburger Philharmoniker · 18. September 2008 um 13:47

Vielen Dank für dein Feedback.
Darüber haben wir uns sehr gefreut und werden uns die Kritik zu Herzen nehmen. Wir sind immer für jeden Tipp dankbar!

loge2 ist sehr interessant, danke für den Hinweis.

Viele Grüße,
Frank, WebTeam Duisburger Philharmoniker

CH · 18. September 2008 um 14:13

@Klaudia LeserInnen dieses Blogs sind natürlich keine Kulturbanausen – das schließt sich aus. 😉 Ist es wirklich sooo schlimm im Kulturbereich? Wenigstens einen halbwegs anständigen Veranstaltungskalender haben die Einrichtungen doch in aller Regel schon. Oder?

@Frank Das Lob dürft und sollt ihr euch bitte genauso zu Herzen nehmen! 🙂 Wirklich ein Super-Projekt! Viel Erfolg damit!

Klaudia · 18. September 2008 um 14:40

@CH ok, natürlich sind die finanziell vergleichsweise gut gepolsterten Prestigekulturprojekte mit online Informationsmaterial besser ausgestattet. Die Kommunikation ist wesentlich besser. Und offenbar weiß man dort auch, dass das irgendwie wichtig ist 😉

Kleine, einzigartige, und meist freie Projekte und Veranstaltungen, die ich gerne viel stärker in den Fokus stellen würde, können sich leider (vermeintlich) aufwändige Marketingkonzepte oft nicht leisten. Wobei das wahrscheinlich wirklich auch oft mit Berührungsängsten bezüglich Internet zu tun hat. Vermeintlich deshalb, weil der Aufbau einer Website z.B. wohl eine Investition ist, aber die Nutzung von sozialen Netzwerken ob MySpace, Twitter, Xing um sich bekannt zu machen und gezielt Veranstaltungsinfos unter’s Volk zu bringen, kostet ja nun wirklich nicht die Welt.

Wie man schön bei dacapo sehen kann bewirkt ja schon allein das Twittern jede Menge. Kostet, ausser ein wenig Zeit, nix.

Im Grunde bräuchte jede Kultureinrichtung einen leidenschaftlichen Verfechter der Vernetzung im Internet und die Sache wäre geritzt 😉

CH · 18. September 2008 um 19:18

@Klaudia Dabei bietet natürlich gerade das Online-Marketing eine Vielzahl von Möglichkeiten, die mehr oder weniger kostenlos sind, wie z.B. das Twittern, das du anführst. Gerade die kleinen Veranstalter und Einrichtungen müssten sich deswegen darauf stürzen.

Karin Janner · 19. September 2008 um 11:21

@Christian, @Klaudia:
Da gebe ich Euch recht.
Nur, bis man so weit ist, dass man weiß, worauf man sich nun genau stürzen könnte, welches der 1000en Tools im Internet es bringen könnte und wie man es angeht, muss man schon einen ganz guten Überblick über die Möglichkeiten des Internet haben. Und den haben die meisten Kultureinrichtungen nicht.
Neben Berührungsängsten spielt also sicher ganz einfach Unwissenheit eine große Rolle, warum Kultureinrichtungen das Internet noch nicht so nutzen, wie sie es könnten.
Christian Henner-Fehr hat übrigens vor ein paar Tagen auf seinem Blog ein e-Book vorgestellt, das Kulturbetrieben den Umgang mit Blogs und Co erklärt: http://tinyurl.com/5ua3bm

Die Internetaktivitäten der Duisburger Philharmoniker beobachte ich auch mit großem Interesse. Habe gestern auch einen ausführlichen Blogbeitrag darüber gescchrieben: http://tinyurl.com/4bn8nc

CH · 19. September 2008 um 12:14

Unwissenheit ist sicher ein wichtiger Punkt. Und wegen Personalknappheit fehlt dann oft die Zeit und Muße, sich gründlich in das Thema einzuarbeiten. Ein anderer Punkt ist möglicherweise auch, dass viele Kultureinrichtungen nicht sehr strategisch denken und wenn, dann dahingehend, dass sie Angebote für 3-Jährige entwickeln, in der Hoffnung auf diese Weise ihre Besucher von morgen zu rekrutieren. 😉 Strategisch denken heißt in Bezug auf Internetmarketing aber auch, das Potenzial zu erkennen, um die eigenen Arbeitsprozesse effizienter und schlanker zu gestalten, die dann wiederum mehr Freiraum für Experimente schaffen.

Christoph Mathiak · 27. September 2008 um 19:49

Finde Loge2 auch ein ganz interessantes Projekt. Insbesondere das Zusammenführen Gleichgesinnter finde ich schön. Alles was der Kultur hilft sollte unsere Unterstützung finden!

Christoph Mathiak · 7. Oktober 2008 um 23:47

Fast hätte ich es vergessen (nicht wirklich, mache ja schliesslich den ganzen Tag Werbung für Kultur) – aber ein bisschen Eigenwerbung sei mir ausnahmsweise gestattet:
unter http://tixclub.de starte ich ein online Angebot, welches für Anbieter und Nutzer kostenfrei sein wird. Es soll Kultur- und Entertainmentanbietern helfen, neues Publikum zu gewinnen und Lust aufs Kultur-Erleben machen.
Hilfe ist immer willkommen!
Insbesondere suche ich noch Tester.
Vielen Dank!

Renate Panke - Admin von theaterblogs.de · 29. Oktober 2008 um 16:34

Große Anerkennung, dass sich die Duisburger Philhamoniker als erstes großes deutsches Orchester ins Web 2.0 trauen. Vorreiter habens nie leicht und müssen sich den Erfolg gemäß try and error hart erkämpfen, während die Mitbewerber seelenruhig abwarten können. Um so schneller ziehen die anderen nach, sobald sich Erfolg abzeichnet.
Ich hoffe, die Blog-Betreiber finden schnell den Mut, die ‚Persönlichkeit‘ des Orchesters sichtbar werden zu lassen, beispielsweise durch eigene Wortbeiträge der Orchestermitglieder. Auf mich wirkt der Blog noch recht distanziert.

Serie Web 2.0 im Kulturmarketing: Internet-Aktivitäten der Duisburger Philharmoniker | Kulturmarketing Blog · 18. September 2008 um 15:51

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