In nahezu jeder Hinsicht ein Gegenteil zum Rheingold-Film von Karajan ist die Inszenierung
von Joachim Schlömer aus dem viel diskutierten Stuttgarter Ring. Die Personenregie ist um ein vielfaches lebendiger und schildert sehr viel genauer (oder überhaupt) die emotionalen Zustände und die Konflikte zwischen den handelnden Personen. Man versteht, warum Alberich nach der Demütigung durch die Rheintöchter das Rheingold entwendet, man merkt, dass es einen Konflikt zwischen den Riesen und den Göttern und zwischen Wotan und Fricka usw. gibt. Die Personen agieren tatsächlich so menschlich, wie es bei Wagner angelegt ist. Wo bei Karajan praktisch jede schauspielerische Aktion fehlt, wird in dieser Inszenierung allerdings nicht selten mit dem kleinen Repertoire einschlägiger Operngestik überperformt, was unterm Strich genauso wenig glaubwürdig, nur nicht ganz so langweilig ist. (mehr …)
Autor: Christian Holst
-
Das Rheingold II: Das Stuttgarter Rheingold
-
Keine abendfüllende Statur: Trip to Asia
Die Berliner Philharmoniker sind eine der deutschen Kulturmarken schlechthin und haben als solche luxuriöse Möglichkeiten der Markenprofilierung, z.B. mittels Kinofilmen. Rhythm Is It! war ein sensationelles Beispiel dafür. Der Film »Trip to Asia«, eine Dokumentation einer Asienreise des Orchesters, ist ein weiterer Versuch. Mit dem Verweis, dass er vom gleichen Regisseur wie »Rhythm Is It!« stammt, sind die Erwartungen hoch gesteckt und um es gleich vorweg zu nehmen: sie werden nicht eingelöst. (mehr …)
-
Das Rheingold I: Der Karajan-Film
In Vorbereitung auf einen Workshop beschäftige ich mich gerade mit dem Rheingold, dem Vorabend zu Wagners Ring des Nibelungen. Gerade sah ich dazu den Rheingold-Film, den Karajan 1978 gedreht hat und der jetzt auf DVD wiederveröffentlicht wird. Er ist ein gutes Beispiel dafür, dass man noch lange keine Aufführung in Wagners Sinne hat, wenn die Kostüme und Bühnenbild in etwa so aussehen wie damals in Wagners eigenen Inszenierungen. Gelungen sind nämlich lediglich die Verwandlungsszenen zur dritten und vierten Szene und und die, in der der unsichtbare Alberich die Nibelungen durch Nibelheim scheucht. Denn die sind filmmäßig konzipiert und lassen sich im Film deswegen so realisieren, wie es im Theater niemals möglich wäre, zumindest nicht, solange der Requisiteur keinen echten Tarnhelm auftreibt. (mehr …)
-
Links des Tages
Heute nur ein paar Links auf interessante Artikel auf anderen Blogs:
Patrick Breitenbach mit einem treffenden Statement zur verlogenen Haltung des Deutschen Olympischen Sportbundes, was die Ereignisse in Tibet und den angedrohten »Volkskrieg« von Olympia-Gastgeber China angeht.
Auch blutig: die Zeit schreibt über die Rückkehr über die Söldnerheere in gegenwärtigen Kriegen, insbesondere im Irak.
Aber es passieren auch positive Dinge: Norwegen investiert seinen Ölreichtum in ein spektakuläres Opernhaus in Oslo.
Während Tinos Blog-Kantorei dieses Jahr die Matthäus-Passion aufführt, singt Yotin mit seiner die Johannes-Passion. Singet! Singet!
Und wer lieber andere für sich singen lässt, wird beim Liebesliedergenerator fündig. Dort kann man auch die Sprache festlegen, in der man die Liebesbekundung wünscht. Wie wäre es mit einem zärtlich-krachenden »I chcha di gääärn« in nicht ganz authentischem Bäärndütsch? Einfach die gewünschte Sprache auf die leeren Notenzeilen ziehen.
-
Gender Mainstreaming: Pudding an die Wand nageln
Kürzlich bin ich wieder einmal über den Begriff »Gender Mainstreaming« gestolpert und wollte diesmal wissen, was das eigentlich ist. Was man bei Wikipedia dazu lesen kann, ist recht abstrakt. Bei weiterer Recherche bin ich allerdings auf einen Artikel gestoßen, wo Gender Mainstreaming wesentlich griffiger und anschaulicher, allerdings auch ironischer, beschrieben wird. Nämlich als Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln, der leider nur banale Ergebnisse zu Tage bringt. (mehr …)
-
Rillings Matthäus-Passion
Angeregt durch die Blogger-Kantorei auf Tinos Blog und die bevorstehende Aufführung des Bremer Domchores, habe ich mir nach längerer Zeit mal wieder die Matthäus-Passion zu Gemüte geführt. In der Aufnahme von Helmuth Rilling aus den 90er Jahren, die wirklich sehr empfehlenswert ist. Rillings Orchester spielt auf modernen Instrumenten, die Chöre sind relativ groß, aber das macht überhaupt nichts. (Zumindest nicht, so lange es keine Einspielung von René Jacobs gibt.) Denn einerseits lässt Rilling die Musik ganz im Sinne der Klangrede sprechen und andererseits ist der Klang kraftvoll und präsent, was man bei historischen Instrumenten nicht immer der Fall ist. Auch sängerisch ist die Aufnahme ziemlich hochkarätig. Besonders großartig ist die Sopranistin Christiane Oelze, z.B. in der hinreißenden Arie »Ich will dir mein Herze schenken«, sehr gut sind Michael Schade als Evangelist und Matthias Görne als Jesus. Thomas Quasthoff als Arien-Bass fällt für meinen Geschmack etwas aus der Reihe. Bin einfach kein Fan seiner Stimme – zu flach, zu kalt – und schnell genervt von seiner streberhaften Deklamation. Nichtsdestotrotz finde ich, dass gerade die Bass-Arien zu den schönsten Stücken der Passion gehören, insbesondere »Mache dich, mein Herze, rein«. Die Gächinger Kantorei singt auch auf hohem Niveau und mit hoher Präzision, die besonders in den dramatischen Stellen der Passion eindrucksvolle Schlagkraft entwickelt. Zum Beispiel bei »Sind Blitze, sind Donner« und vor allem bei den Turba-Chören (»Sein Blut komme, über uns«, »Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen«).
-
Clinton vs. Obama
In den USA wird von konservativer Seite offenbar eine regelrechte Hexenjagd gegen Hilary Clinton betrieben. Ich muss gestehen, dass ich auch den Eindruck habe, Clinton sei eine überehrgeizige, machtversessene Person. Aber warum eigentlich? Wahrscheinlich allein wegen der Fotos, wo Clinton mit weit aufgerissenem Mund zu sehen ist und ziemlich dämlich aussieht. Und warum erscheint Obama als die große Heilsfigur? Laut Weltwoche, weil er bei einem Prediger in die Rhetorik-Schule gegangen ist. Da man über politische Programm praktisch nichts liest, ist zu befürchten, dass tatsächlich nicht mehr dahinter steht.
-
Künstler sind Überlebenskünstler
Künstler und Kreative sind in der Regel auch (Über-)Lebenkünstler. Für kreative Selbstbestimmung und -verwirklichung nehmen sie oftmals prekäre und ausbeuterische Arbeitsbedingungen in Kauf. Für einen besonders ausbeuterischen Fall wurde gerade der Raffzahn 07 vergeben, aber auch bei tarifvertraglich geregelten Beschäftigungsverhältnissen, z.B. am Theater nach NV Bühne, fragt man sich, wie man je auf einen grünen Zweig kommen soll. Auf den Nachdenkseiten gibt es einen Artikel zu dieser Problematik, in dem eine interessante Parallele zur Landwirtschaft gezogen wird. Denn dort arbeiten etwa so viele Menschen wie in kreativen Berufen, aufgrund intensiver Lobbyarbeit erfährt dieser Bereich aber ganz andere öffentliche Unterstützung. (Gut, der Erntehelfer wird davon auch nicht viel mitkriegen…)
Das ist auch deswegen absurd, weil die kreativen Berufe die Zukunftsfähigkeit des gesamten Landes gewährleisten und schon heute wesentlich zur Wohlstandssicherung beitragen und nicht nur – wie auf den Nachdenkseiten angeführt – anderen Menschen das Leben verschönern. Das zeigt ganz sinnfällig die Studie Talente, Technologie und Toleranz – wo Deutschland Zukunft hat des Berlin Instituts für Bevölkerung und Entwicklung zeigt. Je höher das kreative Potenzial einer Region, umso größer der wirtschaftliche Erfolg.
-
Schweizer Auslandssemester für Ypsilanti
In punkto demokratischer Kultur kann Deutschland ganz allgemein viel von der Schweiz lernen. Das zeigt sich auch an der peinlichen Pleite von Andrea Ypsilanti und Kurt Beck. Wie man einen politischen Coup landet, haben die Schweizer Parteien SP, CVP und FDP im vergangenen Dezember bei der Wahl der Bundesräte bzw. der Abwahl von Christoph Blocher gezeigt: kurzfristige, geheime Vorbereitung und dann mit großem Knall an die Öffentlichkeit, wenn alles klar ist. Und dabei sind die Schweizer Abgeordneten noch nicht einmal Berufspolitiker!
-
Zeit der Hitparaden
Februar und März sind die Zeit der Hitlisten des vergangenen Jahres. Bill Gates ist nur noch der drittreichste Mann der Welt, war gerade zu erfahren, die bestbesuchte Ausstellung 07 war The Mind of Leonardo in Tokyo und es wurden die zehn innovativsten Produkte des vergangenen Jahres ermittelt. Auf Platz 1 Apples iPhone. Dabei kann das iPhone kommunikationstechnisch gesehen kaum mehr als mein zwei Jahre altes Sony Ericsson K750i. Freenet meint deswegen:
Aber was soll’s, wenn Dieter Bohlen es in Deutschland auf 14 Nummer-1-Hits gebracht hat?
Nachtrag 7.3.08: Ein Bild des Jahres wurde übrigens auch gerade gewählt. In diesem Fall eine verdiente Nummer 1.