Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


Blog

  • Surftipp

    Die Seite von Dieter-David Scholz ist eine echte (Wieder-)Entdeckung. War schon lange nicht mehr drauf und habe jetzt viele höchst interessante Berichte gefunden, vor allem über Wagner.

    Zum Beispiel ein höchst aufschlussreiches Interview mit Brigitte Hamann über ihr Buch »Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth«. Dort geht es natürlich vor allem um Winifreds Verhältnis zu Hitler und zum Nationalsozialismus, aber auch um Wieland Wagners bis heute ziemlich tot geschwiegene Nazi-Vergangenheit. Er konnte später nur deshalb glaubwürdig zum Entnazifizierer Bayreuths werden, weil seine Mutter die gesamte Schuld auf sich genommen hat.

    Schön zu lesen ist aber auch die Kritik über das Buch von Axel Brüggemann, das ich zwar selbst nicht kenne, über das ich aber an anderer kompetenter Stelle ebenfalls schon einen saftigen Verriss gelesen habe. Wobei: kann man von einem Verriss sprechen, wenn fachliche Fehler und Halb- und Unwahrheiten benannt werden? Peinlich, dass ausgerechnet Bärenreiter solch einen Ausfall im Programm führt.

    Aber auch sonst sind dort etliche gut geschriebene, sehr interessante Texte zum Thema Musik, Oper und Aufführungskultur zu finden.

  • Hollywood avant la lettre

    Nochmal zum Thema Oper und moderne Technik. Gerade bin ich auf der Seite von Dieter David Scholz auf einen Buchtipp gestoßen, der extrem interessant klingt: »Filmpreis für Wagner. Eine zeitgemäße Betrachtung seines Theaters« von Eric Schulz, einem Musiktheaterregie-Absolventen der Hamburger Musikhochschule. Leider ist das Buch mit 49 Euro für 111 Seiten verdammt teuer. Allerdings gibt es bei Amazon auch eine E-Book-Fassung 19,99 Euro plus Versandkosten. (Für ein E-Book?!?)

    Scholz schreibt:

    In ihm lotet er (E. Schulz) konsequent Wagners Nähe zum Film aus und interpretiert das »Kunstwerk der Zukunft« als eine das Illusionstheater des 19. Jahrhunderts übersteigende Utopie, ja als Vorwegnahme von Ideen filmischer und elektronischer Medien.

    Dieses Buch wollte ich doch schreiben! Verdammt! 🙂 Ich hätte es allerdings »Hollywood avant la lettre« genannt. (Jetzt kann ich immerhin mal einen Blog-Eintrag so nennen.) Das ist ein Zitat aus der Berliner Antrittsvorlesung von Friedrich Kittler in der er die These vertritt, dass Wagners Musiktheater Hollywood »avant la lettre«, d.h. bevor es diesen Begriff überhaupt gab, ist. Also das, was Adorno, Eisler und Wieland Wagner ja auch schon gesagt haben (s. Scholz), aber nicht wie Kittler unter einem diskursanalytischen Blickwinkel. Das ist allerdings sehr interessant und originell.

    Tja, dann werde ich eben darüber schreiben müssen, inwieweit Wagner in seinen Vorstellungen das vergesellschaftete Kunstwerk vorweggenommen hat, dass jetzt im Web 2.0 greifbare Option wird. 🙂

  • Speisung der 7.000

    Bregenz lebt natürlich von den Festspielen. Das merkt man insbesondere in den Stunden vor den Aufführungen auf der Seebühne, wo nicht daran zu denken ist, im näheren Umkreis irgendwo einen Tisch in einem Restaurant oder Café zu bekommen. Immerhin passen 7.000 Personen auf die Seetribüne. (Ich habe mich gefragt, wie das gehen soll, wenn die Vorstellung bei schlechtem Wetter ins Festspielhaus verlegt wird, das vielleicht allerhöchstens 2.000 Leute fasst?!?)

    Wir haben uns Tosca auf der Seebühne allerdings nicht angeguckt, da wir die Preise zu hoch fanden. Inbesondere deswegen, weil klassische Musik unter freiem Himmel in den seltensten Fällen ein Genuss ist. Allerdings habe ich nachher überlegt, ob es nicht doch ein Erlebnis gewesen wäre, als ich gelesen habe, dass man in Bregenz ein eigenes, hochkomplexes Soundsystem entwickelt hat, mit dem Orchester und Sänger verstärkt werden und das sozusagen als eigenes Instrument eingesetzt wird. Laut Aussage des Dirigenten lassen sich damit spektakuläre Effekte erzeugen. Das hätte zumindest mal interessant sein können, ob hier nicht ein viel versprechender Berührungspunkt zwischen moderner Technik und der musealen Kunstform Oper liegt, die ja normalerweise mit einem denkbar altertümlichen Apparat aufgeführt wird.

    Wie auch immer, wir haben wir uns stattdessen ein Konzert mit dem hervorragenden (Knaben-)Chor des St. John’s College, Cambridge, angehört. Der erste Teil bestand aus Musik von Purcell, die ich langweiliger als erwartet fand, der zweite Teil vor allem aus Brittens »Ceremony of Carols« für Chor und Harfe, die wirklich großartig ist.

  • Österreicher mögen Kalbsbeuschl aber ekeln sich vor Vokalen

    Etwas ernüchternd an Bregenz und Lindau war, dass man dort kaum regionale Spezialitäten mehr bekommt. In den Supermärkten bekommt man sowieso genau das gleiche wie in Bremen oder sonstwo, abgesehen mal vom Käse und der Tatsache, dass manche Sachen anders heißen. Quark heißt z.B. Topfen, weswegen Milram für Österreich andere Verpackungen benutzt. Aber auch sonst: man kann an jeder Ecke italienisch essen gehen, aber für österreichische Spezialitäten, wie z.B. Kalbsbeuschl (s. Foto), muss man dann schon eine Weile suchen. Und man kann nicht sagen, dass die Mühe belohnt würde und Kalbsbeuschl eine echte Entdeckung seien. Dann lieber Apfelstrudel oder Wiener Schnitzel, auch wenn das natürlich nicht nur in Österreich bekannt ist.

    Kalbsbeuschl

    Ansonsten gibt es natürlich Fisch aus dem Bodensee, insbesondere Zander, Felchen und Egli. Aber der schmeckte meistens ziemlich fad, als wüssten die Köche nicht recht was damit anzufangen. Insofern hat es uns auch kaum gewundert, dass man sich in Lindau dann lieber auf die norddeutsche Fischküche kapriziert hat, die zwar nicht raffiniert, aber immerhin schmackhaft ist. In Lindau gab es allerorten Matjes und Scholle mit Kartoffelsalat und Remoulade zu bestellen.

    Die letzte Bastion kultureller Eigenständigkeit scheint die Sprache zu sein. Beim Bregenzer oder evtl. auch Vorarlberger Dialekt handelt es sich um eine eigenartige Mischung aus Österreichisch, Schwyzerdütsch und Bayrisch. Die Vokale sind häufig typisch österreichisch gedehnt (ich finde ja, die Österreicher und insbesondere die Wiener reden so, als würden sie sich vor den Vokalen ekeln), die Konsonanten krachend und kratzend wie bei den Schweizern und bestimmte Worte und Floskeln wie z.B. »Servus« und »Pfiadi« aus dem Bayrischen übernommen.

  • Bregenz ist nicht zum Lachen

    Tja, so schnell ist der Urlaub dann schon wieder vorbei. 🙁 Immerhin weiß ich jetzt: Bei Bregenz gibt es überhaupt nichts zu lachen, denn die Stadt hat als Reiseziel für Leute meines Alters absolut Konjunktur. Sowohl in Bregenz als auch in Lindau: überall junge Eltern mit Kindern zwischen 0 und 7 unterwegs. Schwer zu glauben, diese Geschichte von wegen Überalterung und »Wer zahlt bloß unsere Rente?«.

    Ja, also das waren wirklich zwei wunderschöne Wochen in einem wunderbaren, günstigen Quartier, 1 km vom Ufer und super Wetter.

    Da Bilder mehr sagen als Worte, hier eine kleine Galerie.

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  • Haydn im Dom

    Komme gerade aus einer wunderschönen Aufführung von Haydns »Schöpfung« im Bremer Dom. Hätte gar nicht gedacht, dass mir das Stück so gut gefällt. Aber bei Haydn habe ich schon öfters die Erfahrung gemacht, dass es extrem von den Interpreten abhängt. Es kann echt langweilig sein, wenn einfach nur die Noten wiedergegeben werden und es kann ganz großartig sein, wenn der Interpret es versteht, ihnen Leben einzuhauchen. Besonders bemerkenswert in dieser Hinsicht – aber auch wegen ihrer wunderbaren Stimme – war die Sopranistin, Stephanie Petit-Laurent hieß sie, glaube ich. Wow!

    So, hiermit verabschiede ich mich dann auch in die Sommerpause. Spätestens Ende Juli geht es weiter.

  • Psychologie des Theaters

    In der Zeit gibt es gerade eine interessantes Interview mit der Sängerin Vesselina Kasarova. Zum einen beschreibt sie sehr eindrücklich den unglaublichen psychischen Druck, dem insbesondere Sänger, aber eigentlich aufführende Künstler insgesamt, ausgesetzt sind. Der ist wirklich beträchtlich. In der Champions League, in der Kasarova spielt, sicher besonders, aber grundsätzlich ist das an all den Staatsopern und -theatern auch nicht viel anders. Der Konkurrenzkampf ist ziemlich gnadenlos und jede jede neue Besetzungsrunde und jedes Vorsingen hält Kränkungen und Demütigungen bereit, die schnell an die Substanz gehen.

    Die andere Seite dieser Kränkungen ist dann das Lamentieren über unfähige Kollegen (Dirigenten, Regisseure, Sänger), die auch in diesem Interview vorkommen. Interessanterweise wird nie von verschiedenen Auffassungen gesprochen, sondern immer gleich von Unfähigkeit. Auch das finde ich sehr typisch. Insofern gewährt dieses Interview einen kleinen, aber grundlegenden Einblick in die Psychologie des Theaters.

    Ganz großartig beschrieben wird das übrigens in dem »Opernroman« von Petra Morsbach. Ein toller Roman, der in nüchterner, einfacher Sprache Szenen aus dem Leben verschiedener KünstlerInnen eines fiktiven mittelmäßigen Opernhauses portraitiert. Es hat mir vor allem deswegen so gut gefallen, weil es deutlich macht, dass die menschlichen Dramen, die sich hinter den Kulissen abspielen, häufig viel anrührender und ergreifender sind, als das was auf der Bühne passiert.

  • Was ist so witzig an Bregenz?

    Eigentlich bin ich ja nicht abergläubisch, aber nach dem heutigen Freitag, 13. könnte ich meine Meinung ändern. Heute morgen wurde ich um 8:11 Uhr auf ein kostspieliges und wirklich dummes Missgeschick aufmerksam. Obwohl ich dann schnell getan habe, was zu tun war und das Problem soweit es ging behoben war, hing mir das noch ziemlich nach. Naja, jetzt gerade habe ich mich von meinem Frust einmal die große Tour um den Werdersee scheuchen lassen. Und gleich werde ich mir ein Glas Rotwein genehmigen und damit meinen Urlaub feierlich eröffnen.

    Warum lachen eigentlich alle, wenn ich erzähle, dass wir in Bregenz Urlaub machen? Nur um dann gleich zu versichern, dass es da natürlich wunderschön sei. Wir haben jetzt etwas Sorge, dass die etwas wissen, was wir nicht wissen. Oder ist es einfach ein Urlaubsziel für Rentner? Es war so: In der Toskana und am Gardasee waren die bezahlbaren und ohne Auto erreichbaren Quartiere längst ausgebucht (es sind auch nicht sehr viele) und auf den griechischen Inseln kennen wir uns nicht aus. An der österreichischen Ecke des Bodensees sind wir letzten Sommer kurz gewesen und es ist wirklich extrem schön da. Außerdem kann man sowohl Wandern, als auch Baden, als sich auch Kultur und hübsche Städte reinziehen. Aber ich will mich gar nicht rechtfertigen. Ich freue mich, ist immerhin der erste Urlaub seit zwei Jahren. Der ging damals nach Wangerooge. (Was gibt’s denn da zu lachen?)

  • Klöden for Toursieg

    Obwohl er sich ja nicht gerade unverdächtig benimmt und zur Zeit in verdächtig guter Form ist, bin ich doch für Andreas Klöden. Schließlich gilt bis zum Beweis der Schuld die Unschuldsvermutung. 😉 Wenn Klödi nicht noch hochgenommen wird, sieht es ja auch einigermaßen aussichtsreich aus.

    Ich weiß auch nicht so recht, was von dieser ganzen Doping-Sache zu halten ist. Wenn Jörg Jaksche für seine Dopingbeichte tatsächlich eine sechsstellige Summe erhalten haben sollte, wie Andreas Klöden behauptet, dann drängt sich natürlich die Frage auf, wie lange er für diesen Betrag wohl hätte Radfahren müssen und ob sich so nicht leichter Geld verdienen lässt. Und eigentlich ist mir als Zuschauer das Dopingproblem doch ziemlich egal, so wie es mir egal ist, dass Spiderman zu 80% am Computer entstanden ist und gar nicht echt ist, was echt aussieht. Auf den Unterhaltungswert hat der Fake keinen Einfluss. Eher erhöht er sich sogar, weil noch allerlei Skandale um das eigentliche Ereignis herum passieren. Es ist deswegen ein organisatorisches Problem für die Veranstalter, ein gesundheitliches für die Fahrer und ein finanzielles für die Sponsoren. Den Medien kann es eigentlich nur recht sein und den Zuschauern, wie gesagt, egal.

  • Das Gute, Schöne, Hehre

    Im aktuellen Crescendo schreibt Katharina Wagner über das Gute, Schöne, Hehre – in ziemlich geschwurgeltem Stil, damit jeder merkt, dass sie auch studiert hat. Ein schönes Schwurgelbeispiel ist, wo sie schreibt, dass ihr beim Schluss vom Rheingold »leicht und regenbogenbunt« ums Herz wird und von »Frühlingsfrische und Riesenwaschkraft« schwadroniert. Ja, und der Regisseur, der die allzu einfachen Antworten scheut, wird vom Publikum ausgebuht. Dummes Publikum, schlauer Regisseur. So ist das nämlich! Wird bestimmt eine hochintelligente Meistersinger-Inszenierung in Bayreuth, nur keiner wird es merken.