Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


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  • Fünf Mal Barock

    Auch für das Wattenmeer gibt es eine musikalische Entsprechung: Die Barock-Musik. Auf den ersten Blick überaus langweilig, wenn man genauer hinhört jedoch von unvergleichlichem Reichtum und Schönheit.

    (1) Bei Bach empfiehlt es sich natürlich, gleich eine eigene Liste anzulegen. So wie Y. aka beisasse das in seinem Eintrag Das Evangelium nach St. Johann Sebastian getan hat. Wie ich in den Kommentaren zu diesem Eintrag schon angemerkt habe, würde ich – sollte ich mich entscheiden müssen – bei den Motetten Singet dem Herrn wählen. Da hat man alles, was Bach ausmacht auf engstem Raum: unerreichte Kontrapunktik, doppelchörige Koloraturen, Choralsatz, tiefen, religiösen Ernst und eine unvermeidliche kleine Fuge am Schluss.

    (2) Monteverdis Marienvesper ist für mich ein Paradebeispiel für den Facettenreichtum des Barock, in diesem Fall des Frühbarock. Das ganze Werk atmet in locker pulsierenden Rhythmen, weit ausschwingenden Melodien und schwebenden Harmonien und ist dadurch von irgendwie ätherischem Charakter. (Aber gar nicht so esoterisch, wie meine Beschreibung jetzt klingt 😉 .)

    (3) Henry Purcells The Fairy Queen ist eine Semi-Oper, so eine Art Schauspielmusik zu Shakespeares Sommernachtstraum. Neben einleitenden Instrumentalstücken und Tänzen kommen auch etliche Arien, Gesangsnummern und Chöre drin vor. Allesamt wunderschön, Prädikat: sehr empfehlenswert.

    (4) Händel ist eigentlich nicht so mein Fall. Aber irgendwie darf er auch nicht fehlen, deswegen lege ich euch hier Quincy Jones‘ Soul-Fassung vom Messias ans Herz, die wirklich gut ist. Absolute Gute-Laune-Musik.

    (5) Pergolesi ist so eine Art Mozart des Barock: genialer, frühreifer Künstler, jung gestorben. Und was bei Mozart das Requiem ist, ist bei Pergolesi das Stabat Mater. Es ist das letzte Werk, angeblich auch auf dem Sterbelager geschrieben, um das nachträglich allerlei Mythen und Legenden gesponnen wurden.

  • Auch du, mein Sohn?!

    Mich beschäftigt schon seit längerem die Frage, warum Ober beim Weineinschenken die linke Hand immer hinterm Rücken verstecken. Neulich fand ich nun irgendwo eine Erklärung dafür. Im römischen Reich wollten die Consuln so sicherstellen, dass ihnen nicht aus einem Ring noch schnell etwas Gift mit in den Wein gemischt würde, denn das ließe sich nur mit zwei Händen bewerkstelligen. So richtig schlüssig finde ich diese Erklärung zwar nicht – als gäbe es nicht mindestens 100 andere Tricks, das Gift in den Wein zu bekommen. Und wenn man ganz auf Gift verzichten wollte, dann könnte man hinterm Rücken prima eine Waffe verstecken und den ahnungslosen Consul attackieren, wenn er den ersten Schluck von seinem giftfreien Wein nimmt. Also, es bleibt eine ganze Reihe Fragen offen, aber immerhin eignet sich die Erklärung hervorragend als Aufhänger für gepflegten Smalltalk.

  • Bedingungsloses Grundeinkommen

    Im letzten Eintrag habe ich mich etwas über selbst ernannte Querdenker aufgeregt. Eine Ausnahme mache ich bei Götz Werner und seiner Idee vom bedingungslosen Grundeinkommen. Die Idee ist zwar vielleicht nicht realisierbar und nicht finanzierbar und hätte praktisch umgesetzt möglicherweise verheerende Folgen, aber sie ist mal tatsächlich originell und nicht banal, wie Lotters Eigenverantwortungs-Bullshit. (Ja, ja, neues Lieblingswort!)

    Mir gefällt der Gedanke. Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen im Hintergrund ergibt auch das zeitgeistige Gerede von »Mehr Eigenverantwortung«, »Mehr Freiheit« und »Mehr Leistungsbereitschaft« einen Sinn. Der Ruf nach umwälzenden Veränderungen ist immer schnell getan und anzunehmen, dass nach diesen Veränderungen wirklich alles besser ist, ist wohl ausgesprochen naiv. Aber an der Idee des Grundeinkommens gefällt mir, dass sie den Menschen etwas zutraut und dass sie überhaupt auf einem Menschenbild fußt und nicht auf rein ökonomischen Vorstellungen. Sie ist allein deswegen besser als Forderungen nach (Bullshit-Alarm!:) Flattaxes, Privatisierung und niedrigen Lohnnebenkosten.

  • Querdenker raus!

    Mir sind selbsternannte Querdenker sehr suspekt. Sich selbst so zu nennen ist eitel und erstmal nichts als eine Behauptung. Häufig steckt auch die als Stärke getarnte Unfähigkeit geradeaus denken zu können dahinter und dann dient der Begriff »Querdenker« nur als Euphemismus für »Idiot«. Als besonders unangenehmes Beispiel stößt mir immer wieder der ewig neunmalkluge Brand-eins-Leitartikler Wolf Lotter auf. Das ist wirklich ein ganz großer Minuspunkt, denn Brand eins ist sonst ein durchaus anregendes, interessantes Magazin.

    Mir ist dessen Querdenkerei zum ersten Mal allerdings nicht in Brand eins, sondern in einem Interview im Kulturmanagement.net-Letter aufgestoßen, wo er vermeintlich subversive Gedanken zur Finanzierung des Kulturwesens äußerte. Toll quergedacht, aber leider entlarvt er sich selber, indem er Begriffe falsch benutzt oder verwechselt (z.B. »Subvention« statt »Finanzierung«) und Sachverhalte unrichtig und verzerrt darstellt, damit sie in seine Linie passen. Z.B. spricht er vom »Beamtenkünstler«, den es praktisch nicht gibt, der nach Lotter aber zum Wohle der Kunst dringend abgeschafft werden müsste! Und am Schluss läuft es (wie auch in den meisten seiner Brand eins-Artikel) doch nur auf das Bullshit-Fazit »Mehr Eigenverantwortung« hinaus und ist damit an Zeitgeist-Konformität und Floskeligkeit kaum zu toppen.

  • Verhext

    Es ist wie verhext. Irgendwann schrieb ich ja mal, dass ich nicht soooo viel von guten Vorsätzen halte. Seit ein paar Jahren verfolge ich allerdings den guten Vorsatz, mich weiterzubilden und dadurch die Rentabilität meines Humankapitals zu optimieren. Und hier liegt es gar nicht an mir, zumindest nicht direkt, dass er nicht Wirklichkeit wird. Indirekt schon, denn ich melde mich immer für Kurse an, die sonst keinen interessieren und die deswegen abgeblasen werden. Was ist los? Können die anderen schon alles? Den Rhetorikkurs, den ich neulich mal gemacht habe, hätte ich fast verpasst, weil er tatsächlich stattgefunden hat.

  • Internationales Flair

    Diese Zeilen schreibe ich, unter Palmen sitzend und internationales Flair atmend, am Münchner Flughafen. Nachdem ich festgestellt habe, dass die Telekom sage und schreibe 8 EUR für eine Stunde W-Lan-Bereitstellung am Abflugsbereich am Terminal verlangt (gleiche Preise wie in der Bahn) habe ich mich in die Lounge des Kempinski verkrümelt, wo ich so ins Netz komme. Gut, ich muss natürlich Getränke konsumieren und bei den Preisen ist das W-Lan auf jeden Fall einberechnet. Aber der Service ist großartig, ausgesprochen aufmerksam und zuvorkommend, die Palmen auch nicht zu vergessen. Und wenn man sich nicht über den Tisch gezogen fühlt, dann ist es auch okay wenn es etwas kostet.

    Der Münchner Flughafen ist wirklich faszinierend, weil er so groß und so neu ist. Und weil er einfach irgendwo in den Sumpf gebaut ist und aus der Ferne wie eine futuristische Kleinstadt aussieht. Wirklich cool.

  • 12 reicht

    Jetzt habe ich 24 zu Ende geguckt und muss sagen, dass meine anfängliche Begeisterung doch etwas verflogen ist, weil der zweite Teil gegenüber dem ersten erheblich einbüßt. Hochgradig spannend ist es auf jeden Fall, keine Frage. Aber trotzdem wäre es besser, die Serie würde nur 12 heißen. Denn nach 12 Stunden zerfasert die Geschichte, alle drei Folgen kommt ein neuer Bösewicht ins Spiel, um die Spannung zu halten, aber die Überraschungen, die der diabolus ex machina andauernd ins dramaturgische Rennen wirft, laufen sich schnell tot. Vielleicht darf man nicht zu viele Folgen am Stück sehen, denn die Serie ist natürlich nicht wie ein Spielfilm konzipiert. Mag sein. Denn die fünfte Mega-Überraschung innerhalb dreier Folgen entlarvt man einfach sofort als dramaturgischen Kniff ohne eigentliche erzählerische Qualität. Und der Schluss ist einfach blöd.

  • 1:0

    für Oldenburg. Oldenburg ist eine der fahrradfreundlichsten Städte Deutschlands, wenn nicht Europas oder sogar der Welt. Es gibt nicht nur schöne, breite Radwege, sondern teilweise eigene Verkehrsführung für Radfahrer, durch die ich mich ausgesprochen ernst genommen und zuvorkommend behandelt gefühlt habe.

    Bremen ist für Radfahrer dagegen anstrengend, gefährlich und pannenträchtig. Es ist zum Beispiel nicht möglich, in einigermaßen angemessener Zeit von der Neustadt zum Bahnhof zu kommen, ohne gegen zahlreiche Verkehrsvorschriften zu verstoßen. Die paar Radwege, die es gibt, sind in katastrophalem Zustand und außerdem mit Glasscherben übersäht. Fast hat man den Eindruck, in Bremen gibt’s kein Pfand und entsorgt die Flaschen deswegen auf den Radwegen. Echt ätzend! Mit den richtigen Wahlversprechen könnte man sich hier meine Stimme bei der Senatswahl am 13. Mai sichern.

    Anm.: Weil so beliebt, hier wieder eine Zahlenüberschrift. 😉

  • Vai in der Tube

    Vor ungefähr zehn Jahren gab es eine Zeit, in der jede Metalband, die etwas auf sich hielt, ein Album mit Orchester machte: Metallica, Yngwie Malmsteen, Deep Purple nahm ihr Concerto for Orchestra noch einmal auf, die Scorpions machten was mit den Berliner Philharmonikern usw. usf.

    Steve Vai war damals nicht dabei, aber bastelt jetzt gerade an einem Album bzw. einer DVD mit Orchester. Auf dem letzten Album gab es mit »Lotus Feet« bereits einen kleinen Vorgeschmack, der zwar orchestermäßig nix besonderes, aber immerhin ganz nett war. Ordentliches Filmmusikniveau. Jetzt habe ich gerade noch einen Vorgeschmack auf youtube entdeckt, den ich allerdings ziemlich enttäuschend fand:

    Der ganze Song ist einfach für Orchester uminstrumentiert. Der Anfang klingt wie »El Condor Pasa« für Arme und ab Einsatz der Gitarre produziert das Orchester dann eigentlich nur noch Hintergrundgeräusch. Schade, dass Stevie sich für sein Orchesterprojekt nicht etwas mehr von seinem Mentor und Lehrer Frank Zappa und z.B. dessen Album »Yellow Shark« hat inspirieren lassen. Wäre etwas anderes gewesen, als der 112. Rocker, der was mit Orchester macht und insofern Vai eher würdig gewesen. Naja, mal das Album abwarten.

    P.S.: Hm. Sorry für die Überschrift. Vielleicht doch lieber wieder Zahlen?

  • Die Friedrich-Naumann-Stiftung, die sich jetzt in etwas missglücktem Deutsch »Friedrich Naumann – Stiftung für die Freiheit« nennt, hat eine Studie bezahlt, die »die Forderung nach einem differenzierten Studienentgeltsystem« unterstützt. Die Begründung für Studiengebühren ist, dass Akademiker »trotz ihres guten Verdienstes über Steuern weniger ans Hochschulsystem zurück[zahlen], als sie an Ausbildungsleistungen erhalten haben.«

    Ich bin neulich in einer Diskussion schon einmal auf diese These gestoßen worden und habe daraufhin mal für mich überschlagen, dass ich bei einigermaßen zurückhaltenden Verdienstaussichten mein Studium nach ca. 15 Jahren komplett zurückbezahlt haben werde. Dabei habe ich noch nicht einmal zugrunde gelegt, dass ich an einer der finanziell am schlechtesten ausgestatteten Unis in Deutschland studiert habe. Folglich werde ich mich dann also die verbleibenden 25 Jahre meines Berufslebens an der Finanzierung von Schulen, Polizei, Bürokratie, Straßen und Theatern beteiligen.

    In der Diskussion um Studiengebühren wird in meinen Augen vor allem bei zwei Punkten zu kurz gedacht:

    • Bildung wird allein als Investition in einzelne Personen gesehen. Das ist sie sicher auch, aber sie ist genauso Investition in eine Gesellschaft. Der globale Wettbewerb findet auf volkswirtschaftlicher Ebene statt und nicht zwischen Kim Lee und Stefan Schulz persönlich.
    • Das heißt in meinen Augen, dass die Sicherung eines hohen Bildungsniveaus eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Es besteht ja politisch Konsens darüber, dass Bildung die wichtigste Ressource westlicher Länder ist oder zumindest wird. Ich verstehe daher nicht, warum der Zugang zu Bildung durch Studiengebühren erschwert wird. Das ist dämlich.

    Wie viel von der wissenschaftlichen Unabhängigkeit der Studie zu halten ist, lässt sich schon aus dem Titel ablesen: »Grundlagen eines differenzierten Studienentgeltsystems«. Durchgeführt wurde sie vom »Liberalen Institut«. Sagen die FDP-Politiker in Wahlkampfreden nicht immer, es sollte ohne »ideologische Scheuklappen« diskutiert werden?

    P.S.: Ab dem nächsten Eintrag gibt’s dann auch wieder richtige Überschriften. 😉