Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


Suchergebnisse für: „blogs“

  • Immer noch Sommerloch

    Nachdem Katharina Wagner sich im Sommer mit ihrer Meistersinger-Inszenierung über Hans Sachs‘ Schlussansprache aufgeregt hat, und damit zum 42.345. Mal die »unbequeme« Frage nach Wagners Nähe zum Nationalsozialismus gestellt hat, ist jetzt mal wieder Rudolf Steiner dran.

    Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hat nämlich gerade überlegt, zwei seiner Bücher auf den Index zu setzen, wegen angeblich rassistischen Inhalts. Den Jugendlichen hätte ich gerne mal gesehen, der »Die Mission einzelner Volksseelen im Zusammenhang mit der germanisch-nordischen Mythologie« und »Geisteswissenschaftliche Menschenkunde« liest und wegen ein paar zweifelhafter Stellen zum rassistischen Hassprediger wird. Jetzt ist das Thema aber vom Tisch, weil der Rudolf-Steiner-Verlag zugesichert hat, einen kritischen Kommentar in die Neuauflage aufzunehmen. Hoffentlich werden die minderjährigen Steiner-Jünger diesen Kommentar genauso gründlich lesen wie die Bücher selbst und sich auf diese Weise vor ideologischer Desorientierung schützen. Tsss!!

    P.S.:Wer an einer differenzierten Bewertung der fraglichen Stellen interessiert ist – jenseits der tendenziösen Berichterstattung z.B. des Spiegelsklicke hier. Fazit:

    Die Zahl der Seiten, auf der Aussagen vorkommen, die als diskriminierend erlebt werden können, umfaßt weniger als ein Promille der gut 89.000 Seiten umfassenden Rudolf-Steiner-Gesamtausgabe. Anthroposophie und Sozialdarwinismus widersprechen sich. Unterstellungen, Rassismus wäre der Anthroposophie inhärent oder Steiner wäre in konzeptioneller Hinsicht ein Wegbereiter des Holocaust, haben sich als kategorisch unrichtig erwiesen. Die Kommission kommt zu der festen Überzeugung, dass Rudolf Steiner im Vergleich zu anderen Vorkriegsautoren und Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts (etwa Hegel oder Albert Schweitzer) das Opfer selektiver Entrüstung geworden ist.

  • Balken im Auge

    Im aktuellen Kulturmanagement-Letter geht es um neue Technologien. Wurde ja auch mal Zeit, würde ich sagen. Ich habe mich an dieser Stelle ja schon mehrfach (naja, hier und hier 😉 ) gefragt, warum dieses Thema im Kulturbereich so wenig beachtet wird.

    Christian Henner-Fehrs hat in dem Letter einen Artikel über Weblogs geschrieben und ein paar Pros und Contras aufgezählt. Ich finde die Pros zum Teil etwas halbherzig, denn einen Blog zu führen, um in den Suchmaschinen besser abzuschneiden oder um sich ein innovatives Image zu verpassen, ist in meinen Augen ein völlig unverhältnismäßiger Aufwand. Meines Erachtens gibt es nur einen einzigen Grund, der den Aufwand rechtfertigt, einen Blog zu führen und das ist das echt gemeinte Bedürfnis, auf gleicher Augenhöhe mit seinen Besuchern und Fans zu kommunizieren. (Im Artikel wird das unter dem Punkt »persönliche Beziehung« angerissen.) Mir ist nicht bekannt, dass das bei Theatern oder Museen bisher irgendwo gelänge. In der Regel ist es auch nicht gewollt und man verfolgt eher den Anspruch, sein Publikum »zu erziehen« und beklagt sich dann beim notwendigen Misslingen dieses Vorhabens über die Ignoranz. Tja, man sieht den Splitter im Auge des anderen, aber nicht den Balken im eigenen.

  • Theater 2.0

    Sören Fenner von theaterjobs.de fragt sich, warum die Theater das sog. Web 2.0 noch nicht für sich entdeckt haben. Das ist allerdings die Frage, die ich mir ja auch schon gestellt habe! Ich meine, es liegt daran, dass Theater die Kommunikation auf gleicher Augenhöhe mit ihrem Gegenüber (noch) nicht beherrschen. Näheres dazu in meinem Kommentar zu dem Eintrag.

  • Koffeinfrei

    In einigen gern gelesenen Blogs geht gerade ein Kaffee-Stöckchen herum, wo man u.a. gefragt wird, ob man koffeinfreien Kaffee oder Bohnenkaffee bevorzugt. Ungeachtet der Tatsache, dass koffeinfreier Kaffee ja wohl auch aus Kaffeebohnen und damit Bohnenkaffee ist, wurde der Genuss von koffeinfreiem Kaffee stets mit einer Mischung aus gespieltem Entsetzen und ehrlicher Empörung vehement abgelehnt. Aber was ist so schlimm an entkoffeiniertem Kaffee, außer, dass er möglicherweise ungesünder ist als koffeinhaltiger?

    Jaja, er schmeckt nicht so gut. Mag ja sein, aber warum reagieren Kaffeefeinschmecker dann nicht genauso aufgebracht angesichts der fettarmen, homogenisierten Industrie-H-Milch, die in ihren koffeinhaltigen Kaffee gepanscht wird? Das ist doch viel skandalöser!

    Ich auf jeden Fall trinke gerne koffeinfreien Kaffee mit hochwertiger Biomilch mit naturbelassenem Fettgehalt und war meinerseits ziemlich empört, als ich neulich erst im dritten Lokal einen koffeinfreien Kaffee und zuvor nur ein arrogantes Augenbrauenlupfen bekommen habe. Nach so langem Suchen war mir das mit der Milch dann auch egal.

  • Die Friedrich-Naumann-Stiftung, die sich jetzt in etwas missglücktem Deutsch »Friedrich Naumann – Stiftung für die Freiheit« nennt, hat eine Studie bezahlt, die »die Forderung nach einem differenzierten Studienentgeltsystem« unterstützt. Die Begründung für Studiengebühren ist, dass Akademiker »trotz ihres guten Verdienstes über Steuern weniger ans Hochschulsystem zurück[zahlen], als sie an Ausbildungsleistungen erhalten haben.«

    Ich bin neulich in einer Diskussion schon einmal auf diese These gestoßen worden und habe daraufhin mal für mich überschlagen, dass ich bei einigermaßen zurückhaltenden Verdienstaussichten mein Studium nach ca. 15 Jahren komplett zurückbezahlt haben werde. Dabei habe ich noch nicht einmal zugrunde gelegt, dass ich an einer der finanziell am schlechtesten ausgestatteten Unis in Deutschland studiert habe. Folglich werde ich mich dann also die verbleibenden 25 Jahre meines Berufslebens an der Finanzierung von Schulen, Polizei, Bürokratie, Straßen und Theatern beteiligen.

    In der Diskussion um Studiengebühren wird in meinen Augen vor allem bei zwei Punkten zu kurz gedacht:

    • Bildung wird allein als Investition in einzelne Personen gesehen. Das ist sie sicher auch, aber sie ist genauso Investition in eine Gesellschaft. Der globale Wettbewerb findet auf volkswirtschaftlicher Ebene statt und nicht zwischen Kim Lee und Stefan Schulz persönlich.
    • Das heißt in meinen Augen, dass die Sicherung eines hohen Bildungsniveaus eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Es besteht ja politisch Konsens darüber, dass Bildung die wichtigste Ressource westlicher Länder ist oder zumindest wird. Ich verstehe daher nicht, warum der Zugang zu Bildung durch Studiengebühren erschwert wird. Das ist dämlich.

    Wie viel von der wissenschaftlichen Unabhängigkeit der Studie zu halten ist, lässt sich schon aus dem Titel ablesen: »Grundlagen eines differenzierten Studienentgeltsystems«. Durchgeführt wurde sie vom »Liberalen Institut«. Sagen die FDP-Politiker in Wahlkampfreden nicht immer, es sollte ohne »ideologische Scheuklappen« diskutiert werden?

    P.S.: Ab dem nächsten Eintrag gibt’s dann auch wieder richtige Überschriften. 😉

  • Erstaunlich sakral

    Vergangenen Samstag bekam die Zürcher Oper eine zweite Chance. Es gab Parsifal, Inszenierung Hans Hollmann, von dem ich noch nie was gehört hatte, musikalische Leitung Bernard Haitink, den ich endlich einmal hören wollte. Auch wenn die Inszenierung sehr abstrakt war, hat sie mir unterm Strich doch ganz gut gefallen. Erstaunlich war nämlich, dass die sakralen Handlungen, die sonst meist dem aufklärerischen Anspruch des Regisseurs zum Opfer fallen, allesamt sehr konkret gezeigt wurden. Bei der ersten Gralsenthüllung wurden tatsächlich Wein und Brot ausgeteilt, im dritten Aufzug gab es eine echte Fußwaschung, eine echte Salbung etc. Ironischerweise ist eine solche (zumindest im Ansatz) »buchstabengetreue« Umsetzung mittlerweile viel verstörender und provozierender, als das ehrwürdige Bühnenweihfestspiel in einem Bahnhofsklosetting o.ä. spielen zu lassen.

    Wirklich großartig waren auch die Lichteffekte, die einen großen Reiz der Inszenierung ausmachten. Die Verfolger waren absolut präzise, durch geschicktes Abdimmen verschwanden Personen einfach im Nichts oder traten nur als Schemen in Erscheinung. Auch die Szene der Blumenmädchen war auf einem sehr gelungenen Lichteffekt aufgebaut: Sie waren dunkel gekleidet und trugen farbige, reflektierende Tafeln vor sich her, die in der Gesamtwirkung ein zwar abstraktes, aber sehr eindrucksvolles Blumenmeer in der ansonsten fast komplett schwarzen Bühne bildeten.

    Das Orchester unter Haitink war phänomenal, insbesondere wenn man bedenkt, dass es sich lediglich um eine Wiederaufnahme handelte mit vermutlich entsprechend wenig Proben. Da stimmte einfach alles. Die großen Partien waren zwar mit hochkarätigen Leuten besetzt, die aber teilweise nicht gerade ihren besten Tag erwischt hatten.

    Nichtsdestotrotz: Chance genutzt.

  • McKinsey im Theater

    In der Februar/März-Ausgabe von crescendo gibt es einen Bericht über das neue Marketingkonzept der Frankfurter Oper, das McKinsey-Berater über »mehrere Monate« mit Mitarbeitern der Oper entwickelt haben. Natürlich ist es recht opportun, ins McKinsey-Bashing einzustimmen, aber nach dem Bericht zu urteilen, sind die Beratungsergebnisse doch erstaunlich konventionell.

    Laut dem Artikel empfahlen die Berater der Oper nämlich etliche Dinge, auf die andere Theater auch ohne externe Berater längst gekommen sind: z.B. unkonventionelle Preisgestaltung. Oper zum Kinopreis – gab es während meines Praktikums 2001 schon an der Staatsoper Berlin. Oder ein farbiger Monatsleporello, der nicht mit anderen Kulturinstitutionen geteilt wird. »Darüber hinaus wurde die Internetseite nutzerfreundlich umgestaltet. Neu sind: eine übersichtliche Gliederung, interaktive Elemente und einladende, warme Farben«. Na, das hat aber gedauert! Die Interaktivität der Seite beschränkt sich im Wesentlichen übrigens auf ein Gästebuch, das immerhin ganz niveauvoll genutzt wird. Am innovativsten ist noch der Einsatz von Viralem Marketing, wobei hierzu wenig Konkretes verlautbart wird. Beim Lesen dieses Artikels, der immerhin von den Beratern selbst geschrieben wurde, drängt sich daher die Frage auf: Wofür bekommt eigentlich der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit sein Geld?

    Ich frage mich auch: Warum kommen hochkarätige McKinsey-Leute nicht auf die Idee, konsequent die Möglichkeiten des Online-Marketings in ihrem Konzept zu berücksichtigen? Hier tun sich Möglichkeiten auf, die von Kulturinstitutionen bislang praktisch nicht genutzt werden. Corporate Blogs zum Beispiel sind für Theater wie geschaffen, weil es deren Kerngeschäft ist, Geschichten zu erzählen. Unternehmen wie VW haben es da viel schwerer, denn sie müssen erst eine Geschichte erfinden und einen Bezug zum Produkt herstellen. Trotzdem (oder gerade deswegen?) sind sie viel einfallsreicher. Keine Rede auch von so einfachen und banalen Dingen wie Google Adwords, Community Marketing, social bookmarking, ebay oder Second Life.

    Theater legen einen geradezu neurotischen Wert darauf, »heutig« rüber zukommen. Aber in Sachen »heutige Medien« haben sie den Schuss noch nicht gehört. Und McKinsey auch nicht.