Ein Viertel aller Stücke, die die großen US-Orchester ins Programm nehmen, stammen von nur vier Komponisten, berichtet Norman Lebrecht. Eine kleine Handvoll toter weißer Männer, nämlich Mozart, Beethoven, Brahms und Tschaikowsky. «And you wonder why people have stopped going», schlussfolgert Lebrecht aus dieser «schockierenden Statistik» lakonisch. Offenbar sitzt er auch dem zur Zeit um sich greifenden Glauben auf, dass ethnische, soziale, geschlechtliche Vielfalt per se (musikalische) Qualität und ein begeistertes, treues Publikum bedeutet. Nähere Begründung, warum das so sein sollte? Fehlanzeige. Es kann also genauso gut sein – mir persönlich erscheint das auch wesentlich wahrscheinlicher -, dass es diesen vier toten weißen Männern zu verdanken ist, dass überhaupt noch Leute ins Konzert gehen. (Plakativ gesprochen.) Sofia Gubaidulina beispielsweise ist eine weiße, lebende Frau und großartige Komponistin aber nicht gerade bekannt dafür, dass die Leute ihrer Werke wegen scharenweise in die Konzertsäle strömen würden. Das kann man schade finden, ist aber eine Tatsache, mit der die Orchester umgehen müssen.
Schlagwort: Beethoven
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Beethoven-Analyse im Sportreportjargon
In den Kommentaren zu einem Artikel von Christian Henner-Fehr, in dem es um die (Un)Vereinbarkeit von Fußball und Kunst ging, stieß ich neulich auf diesen grandiosen Youtube-Clip (nur Audio):
Ganz erstaunlich, wie gut es einer einigermaßen fundierten musikalischen Analyse von Beethovens Fünfter steht, wenn sie in dampfplaudernden Sportreporter-Jargon eingekleidet wird. Man könnte doch noch glatt auf die Idee kommen, die sich abzeichnende Rezession des Konzertwesens sei tatsächlich in erster Linie ein Vermittlungsproblem. 😉
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Beethovens Fünfte zum Angucken
Als Waldorfschüler ist man aus dem Unterrichtsfach Eurythmie mit der Vorstellung vertraut, Musik könne (und solle) nicht nur hör-, sondern auch sichtbar gemacht werden. Auch jahrelanger Unterricht in diesem Fach konnte mich von dieser These allerdings nie überzeugen. Worin sollte da ein Fortschritt oder Vorteil liegen? Ins Zweifeln, ob nicht doch etwas dran sein könnte, hat mich erst diese animierte Partitur vom Allegro con brio aus Beethovens 5. Symphonie gebracht. Natürlich wird hier ebensowenig wie in der Eurythmie Musik sichtbar gemacht, es handelt sich um eine grafische Abbildung musikalischer Vorgänge bzw. musikalischer Koordination. Trotzdem: die Faktur des Stücks wird in einer Art und Weise deutlich, die dem Ohr nicht so deutlich wird. Zum Beispiel, dass wirklich fast jeder einzelne Takt dieses Satzes auf dem berühmten «Ta-ta-ta-taaa»-Motiv beruht. Das sieht man besser, als man es hört und veranschaulicht so die konsequente motivische Arbeit Beethovens. Die Frage bleibt natürlich, ob einem das Stück deswegen mehr sagt.
httpv://www.youtube.com/watch?v=rRgXUFnfKIY
Hier gibt es übrigens noch eine Legende zu der Animation.
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Beethoven groovt
Ich finde es sehr traurig, dass es eine Barriere gibt zwischen der klassischen Musik und dem, was junge Leute hören.
klagt Paavo Järvi, Chefdirigent des HR-Sinfonieorchesters, und hat deswegen das Music Discovery Project ins Leben gerufen. Ich persönlich vermute zwar, dass die Barriere z.B. zwischen Techno und Heavy Metal sehr viel größer ist als die zwischen Klassik und Pop, aber das soll hier mal dahingestellt bleiben.
Järvi jedenfalls hat im Rahmen dieses Music Discovery Projects mit dem Musikproduzenten Mousse T. zusammen ein Programm konzipiert mit dem Titel A Taste of Beethovens 5th. Dieser Titel trifft es recht gut. Ich finde, diese Stücke mit den Beethoven-Samples sind originell und gut gemacht. Auch die Idee, das ganze um nicht-musikalische »Performances« zu (Tanz, Video) erweitern, ist nicht schlecht. Auf jeden Fall macht es Spaß, sich die Aufzeichnung des Konzerts anzugucken. Damit ist ja schonmal viel gewonnen.
Mir ist allerdings die musikpädagogische Strategie nicht so ganz deutlich. Möchte man auf diese Weise mittelfristig dahin kommen, dass Mousse T.-Fans in ganz normale Sinfoniekonzerte gehen, wo Beethoven dann nicht mehr so groovt? Ich bezweifle, dass dieser Plan aufgeht. Oder reicht es dem Orchester, junge Leute zu erreichen, indem es Klassik-Versatzstücke zu Musik beisteuert, die diese eigentlich hören wollen? Das kann auch nicht der Anspruch eines Kulturorchesters sein.
Nachtrag, 18.2.: In der FR gab es heute eine Besprechung zu dem Event mit etwa gleichen Erkenntnissen.