Am vergangenen Woche fand im Dortmunder U das stARTcamp Ruhr York statt. Vielen Dank und ein großes Kompliment an Frank Tentler, Rouven Kasten und allen anderen helfenden Hände für die wirklich gelungene Veranstaltung!
Ganz unverhofft spielte das Thema Oper eine große Rolle während der zwei Tage. Am ersten Tag wurde der Film «operatic» gezeigt, eine Dokumentation über eine sechs-köpfige «Opern-Band» namens The Cast. Für die Premiere des Films im Mai hatten die Herbergsmütter lautstark die Werbetrommel gerührt. Ich muss allerdings gestehen, dass mir dabei nicht so ganz klar geworden war, um was es in dem Film eigentlich genau geht. Oper müsse raus aus den Opernhäusern, es solle nicht so steif und ehrfürchtig zugehen, sondern ausgelassen wie auf einem Rockkonzert. Das war etwa das, was bei mir hängen geblieben war. Und tatsächlich entspann sich nach der Filmvorführung auch eine lebhafte (Podiums-)Diskussion um solche Fragen. Dass es doch toll sei, wenn man auch mal in Jeans und Turnschuhen Opernmusik genießen könne, und es ja nicht immer ein so ein gediegener Rahmen wie im Opernhaus sein müsse. Ich trage fast immer Jeans, wenn ich Oper sehe und natürlich ist Oper berufsbedingt etwas sehr Normales für mich. Wo da die Hemmschwellen sein sollen, kann ich daher immer schwer nachvollziehen. Außerdem mache ich eher die Erfahrung, dass viele Seltenbesucher ihren Opernbesuch gerade gern zum Anlass nehmen, sich einmal richtig aufzubrezeln. Wann zieht man sonst schon mal ein Abendkleid oder einen Anzug an? Häufigbesucher dagegen wissen ohnehin längst, dass man als Jeans- und Sneakersträger nicht des Hauses verwiesen wird. Eigentlich ist das also gar nicht der entscheidende Punkt. Aber es lässt sich wunderbar darüber streiten. Das gilt ja eigentlich für die gesamte klassische Szene. Witzigerweise waren die Diskussionen über Oper die polarisierendsten auf dem ganzen stARTcamp. Die getwitterten Reaktionen dazu bewegten sich zwischen leichtem Unwohlsein
Diskussionen, die sich um sich selbst drehen. Komme mir vor, als wenn ich in einem Uniseminar der 80er Jahre sitze! #scry15
— Anke von Heyl (@kulturtussi) 14. Juni 2015
bis zu ziemlicher Begeisterung
wenn ihr ma richtig coole Streitgespräche erleben wollt, kommt hier her zum startcamp #scry15 #diekulturlebt
— Rollifräulein. (@RolliFraeulein) 14. Juni 2015
Die Frage, ob man hinterher viel schlauer ist, mal außen vorgelassen – mir machen solche Diskussionen auch immer Spaß. Trotzdem behandelt der Film eigentlich eine Frage, die viel interessanter ist, als ob man Oper besser in Turn- oder Lackschuhe oder twitternd und mitklatschend oder andächtig zuhörend rezipieren sollte. Man erfährt nämlich viel über die Schwierig- und Widrigkeiten, mit denen sich junge Künstler in einem extrem harten Markt auseinandersetzen müssen. The Cast sind für mich ein gutes Beispiel dafür, wie man diesem riesigen Konkurrenzdruck, dem dauernden Nichtgutgenugsein und ständigen Rückschlägen, die man für eine Opernkarriere hinnehmen muss, mit frischem Unternehmergeist, Ideenreichtum und Unbeirrtheit begegnen kann.
Der erste Tag war eine Mischform aus Tagung und Barcamp: Es gab einige vorab definierte Inputs, aber auch viel Raum für Diskussionen und die eigene Auseinandersetzung mit dem, was präsentiert wurde. Insgesamt ergab sich ein runder Tag, der die wichtigen Punkte für ein digitales Konzept, vom Projektmanagement, über das Storytelling und die Auswahl der geeigneten Technik bis zur Präsentation eines mustergültigen Content Marketing/Storytelling-Beispiels anhand des Films über The Cast präsentierte.
Am zweiten Tag wurden etliche Fragen vom ersten noch einmal vertieft: es ging noch einmal um Apps, um digitale Räume, um Oper. Und, was mir besonders gut gefallen hat, auch um die Frage des «Social Sellings». Auch hier gingen die Meinungen sehr weit auseinander, ob das überhaupt möglich sei oder ob man nicht eher weiche Ziele wie Community-Aufbau verfolgen sollte und die Leute dann schon irgendwie auch kommen, wenn man sich immer nett mit ihnen austauscht. Im Grunde steckt da die gute alte Frage nach dem ROI von Social Media-Aktivitäten dahinter.
Ich nehme vor allem zwei Erkenntnisse von diesem stARTcamp mit. Erkenntnisse, die nicht unbedingt neu sind, die vielleicht sogar als theoretische Feststellungen fürchterlich banal klingen, an denen es in der Praxis aber immer noch allzu oft hapert:
1. Die Bedeutung, ein digitales Projekt von Anfang bis zu Ende durchzudenken, wird immer noch oftmals unterschätzt (auch von mir selbst). Viel zu schnell bleibt man an Fragen der Technik hängen oder fokussiert auf isolierte Aspekte wie Content Creation oder Storytelling. Inhalte haben aber keinen Selbstzweck. Man will etwas mit ihnen erreichen. Und man sollte möglichst präzise (oder smart) sagen können, was man erreichen will. Neulich hörte ich jemanden den schönen Satz sagen: «Wenn ich kein Ziel hab, weiß ich auch nicht, ob ich ankomme.» Also ohne sauber definierte Ziele, eine klare Vorstellung darüber, was meine Bemühungen bringen sollen, kann ich sie mir ebenso gut sparen. Ich erreiche nichts, außer im besten Falle ein kurzes Strohfeuer aus begeisterten «Ahs» und anerkennenden «Ohs». Es ist banal, aber mir ist am stARTcamp noch einmal sehr deutlich geworden, wie wichtig das ist und wie wenig man (ich schließe mich hier ein) sich in der operativen Hektik des Alltags daran hält.
2. Vor diesem Hintergrund ist die isolierte Beschäftigung mit Social Web auch weitgehend unnütz. Auch Social Media bespielt man nicht um ihrer selbst willen. Auch nicht, um Facebook oder Twitter hohe Zugriffszahlen zu bescheren. Während es auf den ersten stARTcamps und den stARTconference noch viel darum ging, was Twitter ist und wie es funktioniert, reden wir jetzt über digitale Strategien und Konzepte. Anke von Heyl hat natürlich Recht, wenn sie das Buzzword «Strategie» nicht mehr hören mag.
Und jetzt muss noch das Stichwort Strategie kommen. Dann sind wir wieder bei der Ausgangssituation wie immer. Will weiter!! #scry15
— Anke von Heyl (@kulturtussi) June 14, 2015
Ich rede auch meistens lieber von Konzepten, das klingt etwas bescheidener und beschreibt es auch. Wie auch immer: Gemeint ist ja ein richtiger und wichtiger Punkt, nämlich dass man, was man tut, von Anfang bis Ende durchdenken sollte. Der nie um eine pointiertes Statement verlegene Christoph Deeg brachte es so auf den Punkt:
Mein Fazit zum #scry15 : #socialmedia ist tot es lebe die digitale Strategie; es gibt immer mehr spannende Menschen im Kultursektor
— crocksberlin (@crocksberlin) 14. Juni 2015
Diese Entwicklung von der Beschäftigung mit einer neuen Technologie zu der Beschäftigung mit ihren Einsatzmöglichkeiten innerhalb eines ganzheitlichen Plans ist ein wirklicher Fortschritt. Das Problem ist nur, dass auf den stARTcamps Personen über Strategien reden, deren Arbeitsalltag vor allem operativ geprägt ist und die auf strategischer Ebene in der Regel nicht so viel zu melden haben. Aber das wird sich sicher in den kommenden Jahren auch noch ändern, wenn die heutigen stARTcamp-Teilnehmer auf dem Weg durch die Institutionen vorankommen.
Jetzt ist jedenfalls ersteinmal Sommerpause, was die stARTcamps anbetrifft. Und das nächste ist dann die Schweizer stARTcamp-Premiere, nämlich das stARTcamp Basel am 7. September im HMB – Museum für Geschichte am Barfüsser Platz. Die Tickets sind bereits erhältlich. Ich freu mich drauf!
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