Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


Autor: Christian Holst

  • Operntest Essen

    Zum Start meines Wochenendes in Essen habe ich die Oper »getestet«, die ja laut Feuilleton mittlerweile auf den UEFA-Cup-Plätzen der deutschen Opernliga mitspielt. Gestern gab es die Derniere von »Die Nase«, einer Oper von Schostakowitsch nach einer Erzählung von Gogol. Die Story ist ziemlich gaga, die Musik grell, schrill und meistens ziemlich laut. Sie klingt eigentlich so, wie ich glaube, wie nichtbewanderte Menschen sich moderne Musik vorstellen. Die Inszenierung von Johannes Schaaf fand ich solala, irgendwie ein routiniertes Regietheater-Einfälle-Mosaik mit Autos und Motorrädern, die im Schneckentempo auf die Bühne und wieder runterfuhren, fahrradfahrendem und tischtennisspielendem Chor und weiterer lustiger Sachen. Naja, hat mich jetzt nicht so überzeugt. Wirklich gut war allerdings das Orchester unter Soltesz – unglaublich virtuos, präzise und genau. Nicht zu Unrecht gabs dafür dann auch den meisten Applaus.

  • Charmante Plaudereien

    Durch die Lektüre von »Wir nennen es Arbeit« bin ich auf den Podcast Schlaflos in München gestoßen und habe mir ein paar Episoden für die Bahnfahrt mitgenommen. Die Sendungen sind charmante Plaudereien über dies und das, z.B. über die Frage, ob Männer rosa Hemden tragen sollten, den Eurovision Song Contest, Nasendusche, übers Bahnfahren oder wie man den Union Jack richtig aufhängt. Außerdem Buchtipps, Filmtipps, CD-Tipps, lauter solche Sachen.

    Klingt so beschrieben nicht sooooo aufregend, aber das liegt daran, dass man den speziellen Reiz schlecht beschreiben kann und die Themen sicher nicht das Ausschlaggebende sind. Ebenso wenig wie bei einem angeregten Telefonat mit einem Freund/einer Freundin. Damit ist es übrigens am besten vergleichbar, nur dass man eben selber nichts sagt. Für den, der nicht nur zuhören mag, gibt es dann ein Forum und den SiM-AB. So kommen dann immer auch Hörer vom AB oder andere Podcaster zu Wort. Aber besten selber hören, macht wirklich Spaß!

  • Balken im Auge

    Im aktuellen Kulturmanagement-Letter geht es um neue Technologien. Wurde ja auch mal Zeit, würde ich sagen. Ich habe mich an dieser Stelle ja schon mehrfach (naja, hier und hier 😉 ) gefragt, warum dieses Thema im Kulturbereich so wenig beachtet wird.

    Christian Henner-Fehrs hat in dem Letter einen Artikel über Weblogs geschrieben und ein paar Pros und Contras aufgezählt. Ich finde die Pros zum Teil etwas halbherzig, denn einen Blog zu führen, um in den Suchmaschinen besser abzuschneiden oder um sich ein innovatives Image zu verpassen, ist in meinen Augen ein völlig unverhältnismäßiger Aufwand. Meines Erachtens gibt es nur einen einzigen Grund, der den Aufwand rechtfertigt, einen Blog zu führen und das ist das echt gemeinte Bedürfnis, auf gleicher Augenhöhe mit seinen Besuchern und Fans zu kommunizieren. (Im Artikel wird das unter dem Punkt »persönliche Beziehung« angerissen.) Mir ist nicht bekannt, dass das bei Theatern oder Museen bisher irgendwo gelänge. In der Regel ist es auch nicht gewollt und man verfolgt eher den Anspruch, sein Publikum »zu erziehen« und beklagt sich dann beim notwendigen Misslingen dieses Vorhabens über die Ignoranz. Tja, man sieht den Splitter im Auge des anderen, aber nicht den Balken im eigenen.

  • Nochmal Grundeinkommen

    Nachdem ich das außerordentlich empfehlenswerte Wir nennen es Arbeit jetzt durchgelesen habe, habe ich angefangen Einkommen für alle von Götz Werner zu lesen. Ebenfalls ein sehr interessantes Buch, lange nicht so gut geschrieben wie »Wir nennen es Arbeit«, dafür inhaltlich vielleicht noch etwas spannender.

    Werners Grundgedanke ist, dass immer weniger Arbeitskräfte benötigt werden, um alles, was eine Volkswirtschaft wie Deutschland braucht, herstellen zu können. Gleichzeitig basiert die Teilnahme an der Volkswirtschaft aber darauf, dass man arbeitet, weil man nur so Einkommen erzielt (Ausnahmen bestätigen die Regel). Deswegen fordert Werner die Entkoppelung von Einkommen und Arbeit und verspricht sich davon die Freisetzung eines enormen kreativen und sozialen Potenzials, weil man frei ist, zu tun, was man tun möchte.

    Grundsätzlich bin ich immer skeptisch bei solch umwälzenden Vorschlägen, zumal ich mich der Ansicht nicht anschließen kann, in Deutschland laufe zur Zeit alles furchtbar schief. Sicher ist vieles nicht perfekt (so wie in der Schweiz 😉 ), aber man sollte sich doch auch immer klar machen, dass man wirklich auf extrem hohen Niveau jammert. Trotzdem: Die Idee vom Grundeinkommen gefällt mir, vielleicht, weil sie nicht als wichtigtuerisches politisches Programm verkündet wird, sondern als eine Vision davon, was unsere Gesellschaft langfristig ausmachen soll. Eine Frage, die sich die Politik aufgrund ihres engen Vierjahres-Horizonts so gut wie nicht stellt. (Klimaziele bis 2050 liegen zwar außerhalb des Horizonts, sind aber als Vision etwas fade.)

  • Neureich

    Dank 1000 gesammelter bahn.bonus-Punkte durfte ich gestern 1. Klasse in die Schweiz reisen. Ich saß im Abteil mit einem neureichen Proletenpärchen, das die ganze Zeit »King of Queens«-DVDs auf einem ultraschicken portablen DVD-Player guckte. Er machte den Eindruck, als hätte er mit einer Muckibude oder einem Proletentoaster oder beidem unerwartet viel Geld verdient, das ihm eigentlich gar nicht so gut zu Gesicht steht. Sonst hätte er sich kein Ofenbaguette bestellen dürfen mit der Begründung: „Mal sehen, wie das schmackofatzt.“ Hat offenbar gut geschmackofatzt, so wie er es dann manierenfrei weggemampft hat.

  • Moskau Tscherjomuschki

    Gestern war ich das erste Mal seit ziemlich genau 11 Monaten wieder in Oldenburg im Theater. Aber es kam mir vor, als sei es erst vorgestern gewesen. Das klingt natürlich furchtbar floskelig, aber es war wirklich so. Alles ganz vertraut und so. Obwohl natürlich auch einiges anders ist mittlerweile, überall z.B. große grüne „Os“ in der Gegend rumstehen und an den Wänden hängen.

    Zu sehen gab es »Moskau Tscherjomuschki« von Schostakowitsch in einer Inszenierung von David Herrmann. Der war letzten Sommer so ungefähr direkt von den Salzburger Festspielen nach Oldenburg gereist, um das Stück dort als Eröffnungspremiere im Musiktheater herauszubringen. Auch wenn zu meiner Zeit keine Salzburger Festspiel-Regisseure inszeniert haben, konnte ich einen Qualitätssprung nach oben nicht ausmachen. Denn dafür, dass die Musik richtig fetzt, war die Inszenierung ziemlich flau. Beispiel: Bei der wilden Autofahrt durch Moskau schaukelten die Sänger gemütlich in Skiliftsesseln in den Schnürboden. Für sich genommen kein schlechter Effekt, aber für diese Situation nicht passgenau. Allerdings muss man auch sagen, dass die Handlung einfach nicht sonderlich viel hergibt: Eine Reihe von Leuten bezieht frisch gebaute Plattenbauten im Moskauer Vorort Tscherjomuschki (Kirschgarten); der eine und die kommen sich näher und es gibt ein paar Streitigkeiten mit Hausbesitzer und -meister. Sehr wohl was hergeben tut aber die quirlige, ironische, aber äußerst eingängige und effektvoll instrumentierte Musik. Das Überdrehte und Groteske, die krachend-pompösen Märsche, mit denen der bürokratische Apparat parodiert wird, das rührend Sentimentale, mit dem das banale Streben nach ein bisschen privatem Glück in Form einer kleinen Plattenbauwohnung portraitiert wird – all das blieb in der Inszenierung allerdings verschenkt.

    P.S.: Für das neue Spielzeitheft wurden übrigens einige Änderungen am Corporate Design vorgenommen, weswegen es jetzt sehr viel besser aussieht als das letzte Heft. Auch der neue Spielplan ist nun Oldenburg-adäquater, mit nicht mehr fast ausschließlich Opern des 20. Jahrhunderts im Musiktheater sondern einer guten Mischung aus Repertoire-Schlagern und seltener gespielten Werken. Tja, manche Erfahrungen muss wohl jeder selbst machen… 😉

  • Große kleine Welt

    Der Flughafen Bremen muss ein Millionengrab erster Güte sein. Da ist nie nennenswert was los und es wirkt immer ausgestorben. Montags morgens, Freitags abends – immer. Keine Spur von internationalem Flair wie in München. Für einen als Fluggast ist das natürlich durchaus angenehm, wenn man aus der Straßenbahn steigt und 10 Minuten später am Gate ist. Aber für die Betreibergesellschaft muss es ein furchtbares Minusgeschäft sein, das nur aufgrund enormer Subventionszahlungen noch nicht eingestellt worden ist. Immerhin hat der Flughafen irgendeinen Preis irgendeiner Wirtschaftszeitung als bester Business-Flughafen Deutschlands erhalten.

    Ich fand es gestern sehr witzig, wie am Bremer Flughafen auf große Welt zu machen versucht wurde, indem man mit einem Bus vom Rollfeld zum Gate gefahren wurde. Geschätzte Distanz ca 35m. In München fährt man dagegen kurz auf die Autobahn und ist 5-10 Minuten unterwegs.

  • Liebeserklärung

    Komme gerade aus dem Kino, wo ich Full Metal Village gesehen haben, einen ausgesprochen wunderbaren »Heimatfilm«. Vordergründig handelt es sich um eine Art Doku über ein Open Air in Wacken, einem Dorf in der Nähe von Itzehoe. In Wahrheit ist es aber eine Liebeserklärung an Norddeutschland und seine Einwohner, eben am Beispiel Wacken ausgeführt. Das Wunderbare an dem Film ist, dass er es schafft, die einfachsten Menschen wie große Philosophen dastehen zu lassen, ganz besonders Milchbauer Plähn (so hieß er glaube ich) und die beiden alten Damen, denen diese »Metall Musik« nicht ganz geheuer ist, denen aber ein unbeschreibliches Strahlen auf dem Gesicht liegt, wenn sie im Kirchenchor mit brüchiger Stimme Volkslieder singen. Es ist einfach ganz wunderbar, wie dieser Film das Schöne, Gute, Wahre aufdeckt, das in den ganz banalen Betrachtungen und dem ganz banalen Leben ganz normaler Menschen steckt. Unbedingt angucken!

  • Kleckereien auf nackten Ärschen

    Hat man den gerade zu vorgerückter Stunde auf irgendeiner Premierenfeier vor die Kamera gezerrt? Offenes Hemd, geschätzte 1,8 Promille… Ich sach nur: »Maria Schtuart«. Oder ist es etwa auch hier EPO? (Hahaha!) Naja, seine Polemik gegen das sog. Regietheater ist auf jeden Fall sehr witzig. Von wegen Kindergeburtstag und Kleckereien auf nackten Ärschen usw.

    Dank an Frank für den Link!

  • Theater 2.0

    Sören Fenner von theaterjobs.de fragt sich, warum die Theater das sog. Web 2.0 noch nicht für sich entdeckt haben. Das ist allerdings die Frage, die ich mir ja auch schon gestellt habe! Ich meine, es liegt daran, dass Theater die Kommunikation auf gleicher Augenhöhe mit ihrem Gegenüber (noch) nicht beherrschen. Näheres dazu in meinem Kommentar zu dem Eintrag.