Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


Autor: Christian Holst

  • Rostiges Dach

    Jetzt ist es doch nicht Hana geworden, sondern die rothaarige Barbara. Ganz unerwartet, denn rothaarig geht bei Models offenbar eigentlich gar nicht (TVtotal). Mir fiel dabei eine lustige, wenngleich sexistische, Bemerkung über rothaarige Frauen wieder ein, die Harry Rowohlt bei einer unvergesslichen Lesung in Lüneburg zum Besten gegeben hat: »Ein rostiges Dach lässt auf einen feuchten Keller schließen.«

  • Helvetisiert

    Heute in der Mittagspause habe ich mich volle Kanne blamiert, als ich beim »grillieren« auf dem Balkon fragte, wer noch »Puleh« (Poulet=Hühnchen) haben möchte. Korrekt schwyzerdütsch heißt es nämlich »Pulä« mit kurzem Ä. Naja, war etwas peinlich, weil ich damit ein haltloses Kichern auslöste, aber andererseits auch ein ganz beruhigender Hinweis darauf, dass sich meine schleichende Helvetisierung hoffentlich noch im Anfangsstadium befindet. In letzter Zeit passierten nämlich schon unheimliche Dinge mit mir. Neulich sagte ich am Telefon, wir müssten erst noch den »Entscheid« abwarten und dachte im gleichen Moment: »Was rede ich da?« Irgendwann anders merkte ich erst am ratlosen Blick meines hochdeutschen Gegenübers, dass »Imprimate« wirklich ein komisches Wort für Drucksachen ist.

  • Von Natur aus dünn

    Vorhin bin ich mal auf die Seite von Germany’s Next Topmodel gesurft, weil ich gerüchteweise las, dass eine gewisse Hana morgen abend zur Siegerin gekürt werden soll. Ich wollte dann mal sehen, wie diese Hana aussieht. Naja, geht so. Auf jeden Fall kann man sich dann schonmal drauf gefasst machen, dieses Gesicht zukünftig in allen Talkshows zu sehen. Ich verstehe immer nicht, warum Models in TALKshows eingeladen werden und dort ihre außerordentlich langweiligen Gedanken und Lebensgeschichten zum Besten geben dürfen. Die sind doch schließlich zum Angucken da, nicht zum Zuhören, oder? Außerdem versuchen sie immer nur zu sagen, dass sie dank ihrer tollen Freunde und Familie total bodenständig geblieben sind in diesem verrückten Business und dass sie alles essen, worauf sie Lust haben und eben von Natur aus so dünn sind. Ja, und Jan Ullrich hat auch nie gedopt.

    Sehr empfehlenswert in Sachen Schönheitswettbewerb ist allerdings der Film Little Miss Sunshine, der übrigens völlig zu Recht zwei Oscars gewonnen hat und für zwei weitere nominiert war. Großartige Schauspieler, eine witzige Geschichte und ein genialer Clou am Ende mit dem man von massivem Fremdschämen erlöst wird. Mein Lieblingszitat aus dem Film lautet: »High school – those are your prime suffering years. You don’t get better suffering than that.« Wobei so aus dem Zusammenhang ist das eigentlich blöd. Also: Angucken.

  • Koffeinfrei

    In einigen gern gelesenen Blogs geht gerade ein Kaffee-Stöckchen herum, wo man u.a. gefragt wird, ob man koffeinfreien Kaffee oder Bohnenkaffee bevorzugt. Ungeachtet der Tatsache, dass koffeinfreier Kaffee ja wohl auch aus Kaffeebohnen und damit Bohnenkaffee ist, wurde der Genuss von koffeinfreiem Kaffee stets mit einer Mischung aus gespieltem Entsetzen und ehrlicher Empörung vehement abgelehnt. Aber was ist so schlimm an entkoffeiniertem Kaffee, außer, dass er möglicherweise ungesünder ist als koffeinhaltiger?

    Jaja, er schmeckt nicht so gut. Mag ja sein, aber warum reagieren Kaffeefeinschmecker dann nicht genauso aufgebracht angesichts der fettarmen, homogenisierten Industrie-H-Milch, die in ihren koffeinhaltigen Kaffee gepanscht wird? Das ist doch viel skandalöser!

    Ich auf jeden Fall trinke gerne koffeinfreien Kaffee mit hochwertiger Biomilch mit naturbelassenem Fettgehalt und war meinerseits ziemlich empört, als ich neulich erst im dritten Lokal einen koffeinfreien Kaffee und zuvor nur ein arrogantes Augenbrauenlupfen bekommen habe. Nach so langem Suchen war mir das mit der Milch dann auch egal.

  • Banause

    Gestern haben wir einen Ausflug nach Worpswede gemacht. Ich muss sagen, dass Paula Modersohn-Becker jetzt nicht so mein Fall ist, obwohl sie eindeutig die beste – im Sinne von eigenständigste – dieser Worpsweder Künstler ist. Überhaupt Malerei ist eigentlich nicht so mein Ding. Es gibt Bilder, die gefallen mir ganz gut und andere, die gefallen mir weniger, aber insgesamt finde ich, dass Malerei im Vergleich zu anderen Künsten recht nichtssagend ist. Auf mich wirkt es einfach etwas beliebig, was da gemalt wurde, ob es nun der Sturm im Moor oder das Mädchen am Schafsgatter oder die alte Bäuerin am Spinnrad ist. Ich kann nicht nachvollziehen, was die Künstler antreibt. Das ist grundsätzlich bei Malerei so, nicht nur bei den Worpsweder Leuten. Bilder bleiben ohne nachhaltigen Eindruck auf mich. Bin ich ein Banause?

  • Alle glücklich bis auf zwei

    Das schöne an der Bremer Bürgerschaftswahl am vergangen Sonntag war ja, dass alle irgendwie gewonnen haben. Besser kann es eigentlich nicht laufen, denn jetzt sind alle zufrieden. Die FDP darf endlich wieder in der Bürgerschaft mitquaken und die Linke überhaupt zum ersten Mal in einem westdeutschen Landesparlament. Die Grünen haben die größten Zugewinne gegenüber der letzten Wahl (+3,63), die SPD hat besser abgeschnitten als die CDU und die CDU hat im Vergleich zur letzten Wahl weniger verloren als die SPD. Wirklicher Wahlsieger sind aber eigentlich die Nichtwähler mit ihren satten 42,4%. Aber die haben die absolute Mehrheit damit ebenso knapp und trotzdem eindeutig verbaselt wie Werder die Meisterschaft. (Was mich ja wirklich etwas geärgert hat!! – Auch wenn natürlich die Hauptsache ist, dass jemand anderes als Bayern Meister wird und der HSV nun doch nicht abgestiegen ist!) So gesehen gab es in Bremen dann doch zwei Verlierer am letzten Wochenende.

  • Fünf Mal Barock

    Auch für das Wattenmeer gibt es eine musikalische Entsprechung: Die Barock-Musik. Auf den ersten Blick überaus langweilig, wenn man genauer hinhört jedoch von unvergleichlichem Reichtum und Schönheit.

    (1) Bei Bach empfiehlt es sich natürlich, gleich eine eigene Liste anzulegen. So wie Y. aka beisasse das in seinem Eintrag Das Evangelium nach St. Johann Sebastian getan hat. Wie ich in den Kommentaren zu diesem Eintrag schon angemerkt habe, würde ich – sollte ich mich entscheiden müssen – bei den Motetten Singet dem Herrn wählen. Da hat man alles, was Bach ausmacht auf engstem Raum: unerreichte Kontrapunktik, doppelchörige Koloraturen, Choralsatz, tiefen, religiösen Ernst und eine unvermeidliche kleine Fuge am Schluss.

    (2) Monteverdis Marienvesper ist für mich ein Paradebeispiel für den Facettenreichtum des Barock, in diesem Fall des Frühbarock. Das ganze Werk atmet in locker pulsierenden Rhythmen, weit ausschwingenden Melodien und schwebenden Harmonien und ist dadurch von irgendwie ätherischem Charakter. (Aber gar nicht so esoterisch, wie meine Beschreibung jetzt klingt 😉 .)

    (3) Henry Purcells The Fairy Queen ist eine Semi-Oper, so eine Art Schauspielmusik zu Shakespeares Sommernachtstraum. Neben einleitenden Instrumentalstücken und Tänzen kommen auch etliche Arien, Gesangsnummern und Chöre drin vor. Allesamt wunderschön, Prädikat: sehr empfehlenswert.

    (4) Händel ist eigentlich nicht so mein Fall. Aber irgendwie darf er auch nicht fehlen, deswegen lege ich euch hier Quincy Jones‘ Soul-Fassung vom Messias ans Herz, die wirklich gut ist. Absolute Gute-Laune-Musik.

    (5) Pergolesi ist so eine Art Mozart des Barock: genialer, frühreifer Künstler, jung gestorben. Und was bei Mozart das Requiem ist, ist bei Pergolesi das Stabat Mater. Es ist das letzte Werk, angeblich auch auf dem Sterbelager geschrieben, um das nachträglich allerlei Mythen und Legenden gesponnen wurden.

  • Auch du, mein Sohn?!

    Mich beschäftigt schon seit längerem die Frage, warum Ober beim Weineinschenken die linke Hand immer hinterm Rücken verstecken. Neulich fand ich nun irgendwo eine Erklärung dafür. Im römischen Reich wollten die Consuln so sicherstellen, dass ihnen nicht aus einem Ring noch schnell etwas Gift mit in den Wein gemischt würde, denn das ließe sich nur mit zwei Händen bewerkstelligen. So richtig schlüssig finde ich diese Erklärung zwar nicht – als gäbe es nicht mindestens 100 andere Tricks, das Gift in den Wein zu bekommen. Und wenn man ganz auf Gift verzichten wollte, dann könnte man hinterm Rücken prima eine Waffe verstecken und den ahnungslosen Consul attackieren, wenn er den ersten Schluck von seinem giftfreien Wein nimmt. Also, es bleibt eine ganze Reihe Fragen offen, aber immerhin eignet sich die Erklärung hervorragend als Aufhänger für gepflegten Smalltalk.

  • Bedingungsloses Grundeinkommen

    Im letzten Eintrag habe ich mich etwas über selbst ernannte Querdenker aufgeregt. Eine Ausnahme mache ich bei Götz Werner und seiner Idee vom bedingungslosen Grundeinkommen. Die Idee ist zwar vielleicht nicht realisierbar und nicht finanzierbar und hätte praktisch umgesetzt möglicherweise verheerende Folgen, aber sie ist mal tatsächlich originell und nicht banal, wie Lotters Eigenverantwortungs-Bullshit. (Ja, ja, neues Lieblingswort!)

    Mir gefällt der Gedanke. Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen im Hintergrund ergibt auch das zeitgeistige Gerede von »Mehr Eigenverantwortung«, »Mehr Freiheit« und »Mehr Leistungsbereitschaft« einen Sinn. Der Ruf nach umwälzenden Veränderungen ist immer schnell getan und anzunehmen, dass nach diesen Veränderungen wirklich alles besser ist, ist wohl ausgesprochen naiv. Aber an der Idee des Grundeinkommens gefällt mir, dass sie den Menschen etwas zutraut und dass sie überhaupt auf einem Menschenbild fußt und nicht auf rein ökonomischen Vorstellungen. Sie ist allein deswegen besser als Forderungen nach (Bullshit-Alarm!:) Flattaxes, Privatisierung und niedrigen Lohnnebenkosten.

  • Querdenker raus!

    Mir sind selbsternannte Querdenker sehr suspekt. Sich selbst so zu nennen ist eitel und erstmal nichts als eine Behauptung. Häufig steckt auch die als Stärke getarnte Unfähigkeit geradeaus denken zu können dahinter und dann dient der Begriff »Querdenker« nur als Euphemismus für »Idiot«. Als besonders unangenehmes Beispiel stößt mir immer wieder der ewig neunmalkluge Brand-eins-Leitartikler Wolf Lotter auf. Das ist wirklich ein ganz großer Minuspunkt, denn Brand eins ist sonst ein durchaus anregendes, interessantes Magazin.

    Mir ist dessen Querdenkerei zum ersten Mal allerdings nicht in Brand eins, sondern in einem Interview im Kulturmanagement.net-Letter aufgestoßen, wo er vermeintlich subversive Gedanken zur Finanzierung des Kulturwesens äußerte. Toll quergedacht, aber leider entlarvt er sich selber, indem er Begriffe falsch benutzt oder verwechselt (z.B. »Subvention« statt »Finanzierung«) und Sachverhalte unrichtig und verzerrt darstellt, damit sie in seine Linie passen. Z.B. spricht er vom »Beamtenkünstler«, den es praktisch nicht gibt, der nach Lotter aber zum Wohle der Kunst dringend abgeschafft werden müsste! Und am Schluss läuft es (wie auch in den meisten seiner Brand eins-Artikel) doch nur auf das Bullshit-Fazit »Mehr Eigenverantwortung« hinaus und ist damit an Zeitgeist-Konformität und Floskeligkeit kaum zu toppen.