Gestern haben wir eine Führung »dörch dat Viddel« gemacht – und zwar »op platt«. So habe ich dann nach immerhin anderthalb Jahren auch mal etwas über Bremen erfahren, was jenseits meiner ausgetretenen Pfade liegt. Zum Beispiel, warum die typischen Bremer Häuser ohne Zwischenraum aneinandergebaut wurden. Das hat damit zu tun, dass die Stadtherren die Befürchtung hatten, schmale, dunkle Durchgänge zwischen den Häusern böten hervorragende Bedingungen für Kriminalität. Um diese zu verhindern mussten die Häuser direkt aneinander gebaut werden. Viel gebracht hat es jedoch nicht. Bremen liegt in der Rangliste der kriminellsten deutschen Städte auf Platz 3.
Kategorie: Bremen
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Auszeichnung für Ruth-Berghaus-Look-And-Feel
Das (Musik-)Theater Bremen ist von den Kritikern der Opernwelt zur Oper des Jahres 2007 gewählt worden. Zusammen mit der Komischen Oper Berlin. Allerdings war wohl weniger die künstlerische Qualität der letzten Saison ausschlaggebend, als viel mehr die schwierigen kulturpolitischen Bedingungen, unter denen Intendant Pierwoß 13 Jahre lang zu leiden hatte. In den Laudatios zu seinem Abgang war überhaupt vor allem davon die Rede, dass er sich von der opportunistischen, unbeständigen Politik nicht hat unterkriegen lassen. So heißt es auch bei der Opernwelt zur Begründung: »Mit Geduld, Leidenschaft, Leidensbereitschaft und Durchsetzungsvermögen sorgte Pierwoß für Oper auf Höhe der Zeit – gegen massive Widerstände aus der Politik«. Wobei »Oper auf der Höhe der Zeit« in meinen Augen nicht stimmt. Was ich gesehen habe, war leider einmal zu oft 80er-Jahre-Regietheater im Ruth-Berghaus-Look-And-Feel. 11 Uraufführungen hin oder her.
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Kleines Fernsehspiel vorm Fenster
Für gestern und heute ist eine repräsentative Auswahl von Prenzlauer-Berg- und Berlin-Mitte-Bewohnern in unserer Straße eingefallen, um im Haus gegenüber ein kleines Fernsehspiel für ZDF/Arte zu drehen. In unserem Esszimmer hat man den perfekten Logenplatz, um die ca. 30 aufstrebenden, umher wuselnden Filmemacher bei der Arbeit zu beobachten. Obwohl wuseln ist eigentlich ziemlich übertrieben, denn die meiste Zeit stehen sie an dem provisorisch aufgebauten Büffet und trinken Kaffee. Das ist zwar nicht so aufregend wie die gelegentlichen Polizeigroßeinsätze, die einem anderen Nachbarhaus gelten, aber trotzdem ganz interessant, das einmal ganz aus der Nähe mitzubekommen.
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Lang
Karstadt in Bremen hat eine coole Adresse: Obernstraße 5-33. Schlappe 14 Hausnummern für ein Gebäude. Dazu drängt sich förmlich ein alter Witz von Otto auf: »Ich habe einen Freund, der ist von Geburt aus sehr lang. – Er wurde geboren am 23., 24. und 25. Juli.«
Aprospros lang: Ich lese gerade ein sehr interessantes Buch mit dem Titel Der lange Schwanz (kicher kicher). In diesem Buch wird erklärt, warum Karstadt in nicht allzu ferner Zukunft möglicherweise ein paar von seinen Hausnummern wird abtreten müssen. Konkret: Der Autor Chris Anderson beschreibt, wie das Internet das Verhältnis von Angebot und Nachfrage verändert. Im Internet können nämlich nicht mehr nur die Hits angeboten werden, also wenige Produkte, die mit ziemlicher Sicherheit in kurzer Zeit einen Abnehmer finden, sondern eigentlich alle Produkte, die irgendwann irgendjemand auf der Welt mal haben wollen könnte. Das ergibt einen langen Rattenschwanz an Produkten, die bei Karstadt nicht rentabel verkauft werden können, weil sie kostspieligen Regalplatz beanspruchen. Im Internet dagegen beanspruchen sie lediglich etwas Speicherplatz und ein bisschen Übertragungskapazität und dann ist es egal, wenn sich in ganz Bremen kein einziger Mensch dafür interessiert. Dadurch ändert sich der Konsum grundlegend, weil hier wieder echte, funktionierende Märkte entstehen: viele kleine Anbieter und viele kleine Abnehmer.
Angenehmerweise ist das Buch auch sehr gut geschrieben, was für amerikanische Sachbücher ja keineswegs selbstverständlich ist. Sie sind häufig oberflächlich und in einem nervtötenden Motivations-Jargon mit direkter Anrede geschrieben, was oft schwer zu ertragen ist. Das vielgerühmte Cluetrain-Manifest, das als eine Art Bibel des Web 2.0- und Internetzeitalters gefeiert wird, habe ich deswegen nach ein paar Seiten erbost in die Ecke gepfeffert. Wie auch immer, »Der lange Schwanz« ist anders und sei hiermit ausdrücklich empfohlen.
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Voll im neuen Öko-Trend
Wenn man einen Kühlschrank mit Energieeffizienzklasse A++ kauft (was wir gerade gemacht haben), bekommt man 50 Euro von den SWB auf die Stromrechnung gutgeschrieben. Allerdings verstehe ich das nicht so ganz, denn die SWB sind eine Aktiengesellschaft. Da können sie doch kein Interesse daran haben, dass ihre Kunden sparsam sind. Uns kann es natürlich nur recht sein.
Auf jeden Fall mutieren wir gerade zu richtigen Lohas: A++-Kühlschrank, Mitgliedschaft beim Ökosupermarkt, fehlt eigentlich nur noch das Hybrid-Auto. Meine Klamotten kaufe ich nämlich neuerdings auch ökologisch und ehtisch korrekt bei Fairtragen, einem kleinen Geschäft bei uns um die Ecke, das auch auf den neuen Öko-Trend setzt. Bislang brummt es da noch nicht so, was schade ist, denn der Laden ist wirklich nett.
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Haydn im Dom
Komme gerade aus einer wunderschönen Aufführung von Haydns »Schöpfung« im Bremer Dom. Hätte gar nicht gedacht, dass mir das Stück so gut gefällt. Aber bei Haydn habe ich schon öfters die Erfahrung gemacht, dass es extrem von den Interpreten abhängt. Es kann echt langweilig sein, wenn einfach nur die Noten wiedergegeben werden und es kann ganz großartig sein, wenn der Interpret es versteht, ihnen Leben einzuhauchen. Besonders bemerkenswert in dieser Hinsicht – aber auch wegen ihrer wunderbaren Stimme – war die Sopranistin, Stephanie Petit-Laurent hieß sie, glaube ich. Wow!
So, hiermit verabschiede ich mich dann auch in die Sommerpause. Spätestens Ende Juli geht es weiter.
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Anders shoppen
Gestern waren wir auf dem Flohmarkt, um ein neues Fahrrad zu kaufen. Ich mochte Flohmärkte noch nie, weil ich kein Beispiel dafür kenne, dass dort jemals jemand ein brauchbares Produkt erstanden hat, dass keine Hehlerware ist oder zumindest in punkto Ästhetik oder Usability nicht hochgradig zweifelhaft ist. Diese Meinung vertrete ich auch weiterhin. Dass einzige, wozu Flohmärkte meiner Ansicht nach gut (oder eben nicht) sind, ist, negative Vorurteile über Mitbürger zu schüren, die aus Ländern östlich von Deutschland kommen. Nachdem uns ein paar windige Händler Fahrräder für 45 EUR andrehen wollten, fanden wir dann einen seriöser wirkenden Stand, wo die Räder ein Drittel weniger kosteten und der Preis trotzdem noch verhandelbar war. Seriöser deswegen, weil es erstens nur Fahrräder gab und nicht noch Stereo-Anlagen, Fernseher, Kunstlederschuhe und weiteres hässliches, nutzloses Gerümpel und zweitens, weil dort eine offenkundige Fahrrad-Expertin am Werke war, die noch schnell das nötige Customizing vornahm. Naja, insofern muss ich meine Meinung über Flohmärkte doch etwas revidieren. Zumindest solange, bis jemand sagt: »Das ist ja mein Fahrrad!«
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Große kleine Welt
Der Flughafen Bremen muss ein Millionengrab erster Güte sein. Da ist nie nennenswert was los und es wirkt immer ausgestorben. Montags morgens, Freitags abends – immer. Keine Spur von internationalem Flair wie in München. Für einen als Fluggast ist das natürlich durchaus angenehm, wenn man aus der Straßenbahn steigt und 10 Minuten später am Gate ist. Aber für die Betreibergesellschaft muss es ein furchtbares Minusgeschäft sein, das nur aufgrund enormer Subventionszahlungen noch nicht eingestellt worden ist. Immerhin hat der Flughafen irgendeinen Preis irgendeiner Wirtschaftszeitung als bester Business-Flughafen Deutschlands erhalten.
Ich fand es gestern sehr witzig, wie am Bremer Flughafen auf große Welt zu machen versucht wurde, indem man mit einem Bus vom Rollfeld zum Gate gefahren wurde. Geschätzte Distanz ca 35m. In München fährt man dagegen kurz auf die Autobahn und ist 5-10 Minuten unterwegs.
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Banause
Gestern haben wir einen Ausflug nach Worpswede gemacht. Ich muss sagen, dass Paula Modersohn-Becker jetzt nicht so mein Fall ist, obwohl sie eindeutig die beste – im Sinne von eigenständigste – dieser Worpsweder Künstler ist. Überhaupt Malerei ist eigentlich nicht so mein Ding. Es gibt Bilder, die gefallen mir ganz gut und andere, die gefallen mir weniger, aber insgesamt finde ich, dass Malerei im Vergleich zu anderen Künsten recht nichtssagend ist. Auf mich wirkt es einfach etwas beliebig, was da gemalt wurde, ob es nun der Sturm im Moor oder das Mädchen am Schafsgatter oder die alte Bäuerin am Spinnrad ist. Ich kann nicht nachvollziehen, was die Künstler antreibt. Das ist grundsätzlich bei Malerei so, nicht nur bei den Worpsweder Leuten. Bilder bleiben ohne nachhaltigen Eindruck auf mich. Bin ich ein Banause?
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Alle glücklich bis auf zwei
Das schöne an der Bremer Bürgerschaftswahl am vergangen Sonntag war ja, dass alle irgendwie gewonnen haben. Besser kann es eigentlich nicht laufen, denn jetzt sind alle zufrieden. Die FDP darf endlich wieder in der Bürgerschaft mitquaken und die Linke überhaupt zum ersten Mal in einem westdeutschen Landesparlament. Die Grünen haben die größten Zugewinne gegenüber der letzten Wahl (+3,63), die SPD hat besser abgeschnitten als die CDU und die CDU hat im Vergleich zur letzten Wahl weniger verloren als die SPD. Wirklicher Wahlsieger sind aber eigentlich die Nichtwähler mit ihren satten 42,4%. Aber die haben die absolute Mehrheit damit ebenso knapp und trotzdem eindeutig verbaselt wie Werder die Meisterschaft. (Was mich ja wirklich etwas geärgert hat!! – Auch wenn natürlich die Hauptsache ist, dass jemand anderes als Bayern Meister wird und der HSV nun doch nicht abgestiegen ist!) So gesehen gab es in Bremen dann doch zwei Verlierer am letzten Wochenende.