Aufgrund von Platzmangel wird der nächste Artikel in der Serie Kulturunternehmertum im KM Magazin und damit auch das nächste Interview hier auf dem Blog erst im Januar erscheinen. Stattdessen möchte ich über einen Gedanken schreiben, der mich seit einiger Zeit immer häufiger beschleicht. Als ich vor zehn Jahren studiert habe, war eine Grundüberzeugung des Kulturmanagements, dass das Kulturmarketing der Produktion von Kultur nachgeordnet sei. Der von mir sehr geschätzte Peter Bendixen etwa schreibt in seinem Klassiker Einführung in das Kunst- und Kulturmanagement, dass in einem klassischen Industriebetrieb der Verwertungsprozess mit der Analyse des Absatzmarktes und der Ermittlung der Kundenbedürfnisse beginne. Im Unterschied dazu gehe der Publikationsprozess im Kulturbereich vom vorhandenen Kunstwerk aus und «tastet den Markt nach Möglichkeiten ab, dieses kulturell und gegebenenfalls auch kommerziell erfolgreich in die Öffentlichkeit zu bringen.» (S. 175f.) Ausschlaggebend für die Marketing ist damit nicht das Kundenbedürfnis, sondern das Sendungsbewusstsein der Kunst. (mehr …)
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«Streng nach dem Lustprinzip» – Interview mit Steven Walter
Im Rahmen der Kulturunternehmer-Interviewreihe spreche ich diesmal mit Steven Walter, dem Gründer und künstlerischen Leiter des Podium Festivals Esslingen. Das Festival hat sich zum Ziel gesetzt, neue Aufführungsformate für die klassische Musik zu entwickeln.
Es gibt Musikfestivals zuhauf. Was war der Antrieb, ein weiteres zu gründen?
Es ging zunächst nicht vornehmlich darum, ein Festival zu gründen. Ziel war, das „klassisch“ genannte Konzert neu zu denken und eigene Ideen umzusetzen, also ein Podium für Konzertinnovationen zu schaffen. Das Festival hat sich dann einfach als brauchbares Format für ein solches Laboratorium erwiesen. Antrieb war also nicht, einfach noch ein Festival zu gründen, sondern neue Ideen, Inhalte und Strukturen zu entwickeln.Mit Blick auf die Frage des Kulturunternehmertums interessiert mich Ihre Herangehensweise. Wie sind Sie vorgegangen, um Ihre Idee zu realisieren?
Wir sind streng nach dem Lustprinzip vorgegangen. Das Potential, Menschen auf ein gemeinsames Ziel zu synchronisieren, kommt aus gemeinsam angestrebten Inhalten. Wir waren einfach ein Haufen Freunde, die Lust auf Initiative und Eigenständigkeit hatten. (mehr …) -
Toi toi toi – Aberglaube im Dienst der Aufklärung
Eins meiner Lieblingsthemen in diesem Blog ist ja der Widerspruch des Theaters, einerseits aufklärerisches Forum und Demokratieschule sein zu wollen und andererseits wie keine andere Institution alten, vordemokratischen Strukturen zu huldigen und anachronistische Medientechnologie zu verwenden. In diesen Widerspruch passt auch der ausufernde Aberglaube, der bis heute am Theater kultiviert wird und so gar nicht zu dem aufgeklärten Anspruch passen will. Da wird zum Beispiel das abergläubische Ritual betrieben, sich vor einer Premiere drei Mal über die linke Schulter zu spucken oder «Toi toi toi!» zu rufen, um den Neid böser Geister zu bannen bzw. den Teufel fern zu halten. Für einen Ahnungslosen ein Minenfeld. Denn man muss wissen, dass man auf solchen Wunsch weder mit einem Danke antworten noch sich in der Schulter irren darf, wenn man das Unheil nicht geradewegs heraufbeschwören möchte. Aber von welcher Perspektive aus ist links eigentlich gemeint? Aus Sicht des Spuckers oder des Bespuckten? (mehr …)
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«Mit offenen Flügeln spielen» – Interview mit Meret Lüthi
Im Rahmen der Serie zum Kulturunternehmertum im KM Magazin veröffentliche ich heute ein Interview mit der Geigerin und Orchesterleiterin Meret Lüthi. Das Interview habe ich in Hinblick auf den Artikel zum Thema «Führung und Zusammenarbeit» geführt: Wie führt man ein Team aus hochqualifizierten Freiberuflern, die einen hohen Anspruch an sich und ihre Arbeit haben? Den Artikel, in dem ich meine Schlussfolgerungen aus diesem Interview darstelle, erscheint in der nächsten Ausgabe des KM Magazins.
Meret Lüthi ist künstlerische Leiterin des Berner Orchesters Les Passions de l’Ame, das 2008 gegründet wurde. Das Orchester führt Musik des 17. und 18. Jahrhunderts in historisch informierter Aufführungspraxis auf. Es besteht aus einem Stamm von vierzehn freiberuflichen Musikern, die für ca. sechs Konzertprojekte pro Saison zusammenkommen. Meret Lüthi leitet die Konzerte von der Position der Konzertmeisterin aus.Wie kommt man auf die Idee ein Orchester zu gründen? Ist das zusammen mit anderen entstanden oder hast du Leute gesucht, die zusammen mit dir deine Idee verwirklichen?
Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Ich habe die Idee geäußert, aber zugleich waren wir zuerst eine kleine Gruppe von drei Musikern, einem Coach und einer Kulturmanagerin, die das erste Projekt realisiert hat. Für dieses erste Projekt haben wir es uns nicht zugetraut, die musikalische Leitung selbst zu übernehmen und daher haben wir diese einem erfahrenen Coach im Bereich der historisch informierten Performance anvertraut. Nach dem ersten Projekt habe ich die musikalische Leitung übernommen und bin während der folgenden Projekte mehr und mehr in dieses Amt hineingewachsen. Seit dem vierten Projekt – das war 2009 – haben wir die gleiche Stammbesetzung und seitdem hat das Orchester auch seine eigene künstlerische Handschrift. (mehr …) -
«Einfach machen!» – Interview premiertone
Im Sommer habe ich eine Serie gestartet mit Interviews mit jungen Kulturunternehmern. In der ersten Ausgabe gabs ein Interview mit den Machern des Theaterkalenders Puck. Heute folgt die Fortsetzung mit einem Interview mit Julia Kadar und Anke Fehring, den Gründerinnen von premiertone. Premiertone ist eine Agentur, die Websites für Künstler erstellt und hostet.
Diese Kulturunternehmer-Interviews sind eingebettet in ein größeres Projekt, das ich gemeinsam mit dem KM Magazin gestartet habe. Dort ist in der aktuellen Ausgabe ein allgemeiner, einführender Artikel zu Kulturunternehmertum von mir erschienen. Ab der nächsten Ausgabe wird es im KM Magazin eine Serie von kurzen Fallstudien mit Kulturunternehmern und weiteren Interviews hier im Blog geben.
premiertone bietet einen professionellen Web-Auftritt für Musiker plus weitere Serviceangebote wie PR und Sekretariat. Wie genau kann ich mir das vorstellen und für wen ist das interessant?
Die Struktur unserer Websites ist speziell auf klassische Musiker zugeschnitten, bietet also alles, was eine professionelle Musiker-Website benötigt. Wir arbeiten grundsätzlich mit einer Art «Baukastensystem», mit dem wir neun farblich variable Designs zu sehr günstigen Preisen anbieten können. Aber auch individuell gestaltete Designs können wir in unser CMS einprogrammieren. (mehr …) -
Serie über Kulturunternehmertum
In der aktuellen Ausgabe des KM Magazins startet eine Serie zum Thema Kulturunternehmertum, die ich verfasst habe. Es beginnt diesen Monat mit einem kleinen, allgemeinen Auftakt zum Thema auf Seite 29f. Ab der kommenden Ausgabe werde ich dann anhand konkreter Beispiele beschreiben, was erfolgreiche Kulturunternehmer in verschiedenen Managementfeldern anders machen, wie das mit der Qualität ihrer Kunst zusammenhängt und was sich davon vielleicht so verallgemeinern lässt, dass es auch für andere Einrichtungen interessant sein könnte. Dazu gibt’s jeweils einen Artikel im KM Magazin. Hier im Blog veröffentliche ich das Interview, das ich im Rahmen des jeweiligen Best practice mit einem Künstler oder Vertreter einer Organisation geführt habe – als Fortsetzung der Interviewserie über Kulturunternehmer, die ich im Sommer gestartet habe. Meine Idee ist es auch, nach Abschluss der Serie alles zu einem kleinen ebook zusammenfassen, aber dazu dann mehr, wenn es soweit ist.
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Die Elbe als Opernbühne
Ja, es kann passieren, dass ein Opernabend mal «unterirdisch» ist. Und vielen Opernhäusern steht das sinnbildliche Wasser «bis hier» was die Finanzen angeht. Aber wie soll man das jetzt nennen? In Dresden hatte gestern eine Unterwasseroper mit dem Titel «AquAria_PALAOA – Das Alter der Welt II» Premiere. Zu erfahren ist, dass damit zum einen an die Jahrhundertflut in Dresden vor zehn Jahren erinnert werden soll. Zum anderen möchte die Protagonistin und Leiterin des Stücks, Claudia Herr, zeigen, dass es unter Wasser nicht still ist. Schon gar nicht, wenn ein Dampfer auftaucht, der offenbar auch mitspielt in dieser Oper, Stimmfach «seriöser Bass» oder so. Die Zuschauer müssen sich zum Glück keine Sorgen machen, nass zu werden. Der Teil der Handlung, der unter Wasser spielt, wird auf Leinwände über Wasser übertragen. Apropos Handlung: über die ist nur sehr wenig zu erfahren. Herr – die früher übrigens mal Leistungsschwimmerin war – spielt eine Frau auf der Suche nach ewiger Jugend und findet sie nach etwa anderthalb Stunden im Wasser. Auf Tagesschau.de gibt es einen kurzen Videobericht über das Spektakel.
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Kulturinfarkt und Elbphilharmonie
Heute morgen lag das kürzlich erschienene Sonderheft der Kulturpolitischen Gesellschaft zum Thema „Kulturinfarkt“ in meinem Briefkasten. Das Titelbild zeigt die Elbphilharmonie-Baustelle. Kein Artikel zum Kulturinfarkt, der nicht mit der Elbphilharmonie-Baustelle bebildert wäre. Das war auch schon bei den Rezensionen und Reaktionen zum Kulturinfarkt-Buch so. Ohne dass der Bau direkt etwas mit der Debatte zu tun hat, wird er dadurch zum Sinnbild des angeblich kurz bevorstehenden Kulturinfarkts. Ist das nicht irgendwie ungerecht? Soweit ich das aus der Ferne mitbekomme, ist das Problem an der Elbphilharmonie ja gar nicht, dass sie gebaut wird, sondern die Kosten, zu denen sie jetzt gebaut werden muss. Wenn man erstmal angefangen hat, kann man keinen Rückzieher mehr machen. Es ist zwar eine Unterstellung, aber nicht völlig abwegig, dass der Bauunternehmer sich diesen Umstand zunutze gemacht hat.
Aber noch mal zum Kulturinfarkt: Aus der Hamburger Musikszene habe ich vernommen, dass das Projekt Elbphilharmonie eigentlich eher eine Frischzellenkur für das Hamburger Musikleben sei. Denn mit der Entscheidung, die Philharmonie zu bauen, sei auch klar geworden, dass Hamburg sich als Musikstadt klar verbessern müsse. (mehr …) -
Wagners Ring: Hollywood avant la lettre
Klaus Zehelein ließ kürzlich verlauten, dass er es für das beste hielte, man würde den Ring des Nibelungen im bevorstehenden Wagner-Jahr 2013 gar nicht spielen. Entgegen diesem Vorschlag sind in dieser und der nächsten Spielzeit ein Dutzend neuer Inszenierungen an deutschen Bühnen in Arbeit. Selbstverständlich auch in Bayreuth, wo nach einer Absage von Wim Wenders jetzt Frank Castorf Regie führen soll. Dass in Bayreuth oder anderswo viel Nennenswertes dabei zu Tage kommen wird, bezweifle ich wie Zehelein, der den Ring für interpretativ ausgeschöpft hält. Wobei: Lohnenswert wäre es in meinen Augen, eine musikalisch wie szenisch „historisch informierte“ Aufführung des Rings zu versuchen. Das heißt, so gut es eben möglich ist, die Bedingungen und Vorstellungen einer guten Aufführung aus der Entstehungszeit herzustellen. Die Alte-Musik-Spezialisten haben gezeigt, welche Aha-Erlebnisse solch ein Ansatz im musikalischen Bereich mit sich bringen kann und für Inszenierungen wäre es mal eine echte Sensation. (mehr …)
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Kulturunternehmertum, Teil 1: Theaterkalender PUCK
Es gibt die einen, die den Zustand der Kulturszene von einflussreichen Stellen aus beklagen und ein paar lustige Verbesserungsvorschläge machen, die sowieso nicht realisiert werden, über die aber alle reden. Und es gibt Ideen und Initiativen, über die gar nicht so viel geredet wird, aber viel mehr geredet werden sollte. Denn da sind junge Kulturunternehmer am Werk, die nicht aus einer abgesicherten Position heraus die Zustände in selbstgefälliger Manier bejammern, sondern mit Engagement und Risikobereitschaft eigene Ideen umsetzen und damit zeigen, wie der Kultursektor erneuert werden kann: nicht durch die große politische Reform, sondern durch kleine Initiativen engagierter Personen, die die Probleme die sie sehen, ganz praktisch angehen. Ich habe mir deswegen überlegt, eine kleine unregelmäßige Reihe über Kulturunternehmer im Blog zu starten. Die Reihe startet heute mit einem Interview, das ich mit Martina Edin, einer der Macherinnen des Theaterkalenders Puck, geführt habe. Puck ist ein wirklich schön gemachter, gut durchdachter Kalender für Theaterleute. Puck wird zwar nicht alle Probleme des Kulturbetriebs lösen, aber wer analoge Kalender nutzt, hat damit immerhin seine Terminprobleme im Griff. (mehr …)