Vergangenen Donnerstag besuchte ich das vierte Forum zur Kulturvermittlung von Pro Helvetia, das diesmal im Stadttheater Biel stattfand. Nachdem es in den ersten Foren um die Frage ging, was Kulturvermittlung eigentlich leisten kann und soll und ob sie gar die Kulturwelt retten könne, wurde diesmal die Frage verhandelt, wer das alles eigentlich bezahlen soll. Denn einerseits ist in den klassischen Kultureinrichtungen die Kulturvermittlung als ein Arbeitsfeld erkannt worden, das eine hohe strategische Relevanz besitzt. Andererseits sind die finanziellen Mittel der Einrichtungen in aller Regel nicht erhöht worden, um den zusätzlichen Aufwand für Kulturvermittlung abzudecken – eher im Gegenteil. Die Situation ist hinlänglich bekannt.
In den Vorträgen des Forums wurden durchwegs sehr interessante Vermittlungsprojekte vorgestellt, allein, die Rahmenbedingungen ihrer jeweiligen Finanzierung schienen mir so speziell, dass sich die Leitfrage des Tages in meinen Augen eigentlich nicht beantworten ließ. Es ist eine schöne Anekdote, wenn Catherine Milliken (bis vor kurzem Leiterin des Education-Programms der Berliner Philharmoniker) berichtet, wie Simon Rattle bei der Deutschen Bank aufschlägt, seine Ideen für ein Education-Programm vorstellt und die Bank nur noch die Kontonummer wissen möchte, auf den sie einen ordentlichen sechsstelligen Betrag überweisen kann. (mehr …)
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4. Forum Kulturvermittlung: Funding by muddling through
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Pinterest – Das Problem mit der Lizenz zum Pinnen
Vergangenen Mittwoch ging es im KM-Treff um das Thema Pinterest für Museen. Jenni Fuchs hielt dazu einen interessanten Vortrag, in dem sie einerseits auf die Funktionsweise und die Anwendungsmöglichkeiten von Pinterest einging, andererseits aber auch das Thema «Urheberrecht und Pinterest» anschnitt. Das ist bei Pinterest insofern relevant, als die Plattform darauf setzt, dass die Nutzer fremde Inhalte an die eigenen Pinnwände heften und damit für deren Weiterverbreitung sorgen. Ob und wenn ja, unter welchen Bedingungen diese Inhalte für eine Weitergabe freigegeben sind, ist oftmals unklar. Klar ist dagegen, dass man urheberrechtlich betrachtet eine Kopie erstellt, wenn man etwas pinnt. Das wiederum setzt das Einverständnis des Urhebers voraus, wenn alles rechtlich einwandfrei ablaufen soll. Streng genommen müsste man also bei allen Bildern, wo es nicht klar gestellt ist – zum Beispiel durch eine Creative Commons License – die Lizenz zum Pinnen einholen. In meinen Augen macht das die Nutzung von Pinterest damit entweder kompliziert und unspontan oder juristisch heikel. In Deutschland kann man sich nämlich nicht wie in den USA auf eine Fair Use-Klausel berufen, die das Kopieren von urheberrechtlich geschütztem Material in gewissem (privatem) Umfang erlaubt. So oder so: der Spaß ist irgendwie getrübt. (mehr …)
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Hochkultur als Leitkultur?
In der aktuellen Ausgabe des KM Magazins ist nicht nur ein von mir verfasster Rückblick auf das Symposium Kultur digital – ich weiß, ich wiederhole mich – sondern auch ein Rückblick auf die Jahrestagung des Fachverbands Kulturmanagement von Dirk Heinze (S.52ff.). Auf der Jahrestagung wurde offenbar u.a. die Frage diskutiert, ob Hochkultur denn noch Leitkultur sei und nur wenn ja, könne ja eine öffentliche Finanzierung gerechtfertigt werden. Die Frage, was Leitkultur denn eigentlich ist, scheint mir dabei eigentlich viel schwieriger zu beantworten zu sein, als die, ob Hochkultur denn Leitkultur ist.
Spontan verstehe ich unter Leitkultur Kultur, die etwas Charakteristisches über unsere Zeit, Gesellschaft, Werte, Komplexe, Obsessionen etc. mit den ästhetischen Mitteln unserer Zeit sagen kann. Hochkultur – das habe ich hier schon mehrfach beschrieben – benutzt aber zumeist museale Technologien und Medien (Theater, Orchester, Leinwand etc.), deren ästhetische Grenzen gründlich ausgelotet, um nicht zu sagen ausgereizt, sind. Sie kann deswegen gar keine zeitgemäße oder gar zukunftsorientierte Ästhetik vertreten. (mehr …) -
Jeder Mensch ist ein Kunstwerk
Vergangene Woche besuchte ich das Symposium Kultur digital, das Migros Kulturprozent im Gottlieb Duttweiler Institut, Rüschlikon, veranstalte. Dort wurde sehr facettenreich über die Auswirkungen der Digitalisierung auf den Kulturbereich diskutiert. Mein ausführlicher Bericht über das Symposium erscheint in der nächsten Ausgabe des KM Magazins. Deswegen an dieser Stelle nur der Hinweis, dass die durchwegs sehr interessanten und anspruchsvollen Vorträge und Podiumsdiskussionen im Netz dokumentiert sind. Besonders empfehlen möchte ich den sehr differenzierten, anspielungsreichen Eröffnungsvortrag von Gerhard Schulze. Das ist zwar keine leichte Kost, aber es lohnt sich.
Immer wieder kam die Sprache auf die Paradigmenwechsel, die die Digitalisierung in der Kulturwelt ausgelöst hat. Zum Beispiel beim Werkbegriff, bei der Rolle des Autors, der Distribution von Kulturprodukten usw. Ein weiterer Paradigmenwechsel ist mir jetzt noch im Nachklang deutlich geworden. (mehr …) -
3. Forum Kulturvermittlung in Basel
»Rettet Kulturvermittlung die (Kultur-)Welt?« – So lautete der Titel des dritten von insgesamt vier Foren zur Kulturvermittlung, die von der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia veranstaltet werden. Die Titelfrage war zwar offenkundig rhetorisch gemeint, aber sie hatte Interesse geweckt: das Literaturhaus Basel war bis auf den letzten Platz besetzt.
Eva Sturm, Professorin für Kunstvermittlung an der Uni Oldenburg, eröffnete den inhaltlichen Teil der Veranstaltung und überlegte, wie Kunstvermittlung ihren Auftrag zwischen Erfüllung und Störung wahrnehmen könne. Einerseits ist es Aufgabe der Kulturvermittler, die kuratorische Arbeit des Museums zu erklären – affirmative Vermittlung, wird das dann genannt. Andererseits haben sich in den letzten Jahrzehnten aber auch subversivere Formen der Vermittlung herausgebildet. Sturm berichtete hierzu vom StörDienst am Wiener Museum für moderne Kunst, der Kindern Kunst mit anarchischen Methoden nahebringen wollte. Ein anderes Beispiel sind die Gallery Talks von Andrea Fraser, in denen die Funktionsweise des Museums kritisch thematisiert, sprich dekonstruiert wurde. In diesem Sinne ist es Aufgabe der Kulturvermittlung, neue Denkräume und alternative Sichtweisen zu öffnen. Dies sei insbesondere durch einen »Trickster« möglich, der ein irritierendes, vernebelndes Moment in die Auseinandersetzung mit Kunst hineinbringe und so einen neuen Bewusstseinsschritt auslösen könne. (mehr …)
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Nach der stART ist vor der stART
Kaum ist die stART11 erfolgreich über die Bühne gegangen, gibt es bereits den stARTschuss für die nächste Ausgabe. Die soll dieses Jahr am 14. und 15. Juni in der Haniel Akademie in Duisburg stattfinden. Das Motto lautet »NAVIGARE! Schiff, Seekarte, Kompass und Rettungsboot für das Social Web«. Das Thema haben wir anlässlich des 500. Geburtstags von Gerhard Mercator – dem berühmten Duisburger Kartografen – gewählt. Unser Ziel ist es, auf der Konferenz eine »Seekarte« für den Einsatz des Social Webs in Kultur- und Kreativunternehmen zu erstellen. Ein Schwerpunkt wird dabei das Mobile Web in Werbung, Medienproduktion und Interaktion für künstlerische und kreative Projekte sein.
Die Idee ist es, nicht nur über die Dynamik des Social Web zu diskutieren und zu reden, sondern sie auch selbst zu nutzen und die Konferenz daher durch Crowdfunding zu finanzieren. Im Zeitraum Februar bis März müssen 30’000 Euro zusammenkommen, damit sie stattfinden kann. Der Ticketverkauf ist dabei in diese Kampagne integriert. (mehr …)
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Zur Spielplanwahl am Thalia
Vor kurzem wurde in verschiedenen Blogs und Kulturteilen die Aktion des Thalia-Theaters diskutiert, den Spielplan demokratisch wählen zu lassen. Kurz rekapituliert: das Thalia wollte vier der acht Premieren im Großen Haus für die Saison 2012/13 von der Öffentlichkeit bestimmen lassen und bat zur Abstimmung. Detaillierte Abstimmungsregeln gab es keine, so dass sich die Aktion verselbständigte und »skurrile Werke« bzw. »Amateurdramen« auf die vorderen Plätze gevoted wurden. Das Thalia selbst resümiert knapp und desillusioniert: Kunst und Demokratie passen einfach nicht zusammen.
In den Printmedien wurde dieses Experiment einstimmig abgeurteilt. In den Blogs fiel die Diskussion etwas differenzierter aus. Insbesondere Postdramatiker berichtete sehr fundiert und wiederholt über die Aktion. Axel Kopp und Christian Henner-Fehr begrüssten das Experiment und kritisierten die Durchführung. Ich habe meine spontane Meinung mit Kommentaren bei Christian und Axel bereits kundgetan, möchte aber im Nachklang noch einen Gedanken zu dem Thema ergänzen. (mehr …)
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Weltuntergang
Jetzt habe ich gerade wieder angefangen zu bloggen und das soll es schon wieder gewesen sein? In der aktuellen Ausgabe des Kulturmanagement Magazins geht es um den «Weltuntergang», der 2012 (wieder einmal – diesmal laut Maya-Kalender) bevorstehen soll. Auf den Seiten 16ff. werden verschiedene Personen nach ihrer Vision eines Kulturbetriebs 0.0 gefragt, was also wäre, wenn man komplett bei Null anfangen müsste, weil keine Strukturen, kein Geld vorhanden wäre.
Als ich die Statements gerade las, musste ich an Olivier Messiaens «Quatour pour la fin du temps» denken. Nicht nur wegen des apokalyptischen Titels, sondern vor allem wegen der Entstehungsgeschichte des Quartetts, wenn man so will nämlich in einem Kulturbetrieb 0.0. Das Quartett entstand 1940/41 im Kriegsgefangenenlager Görlitz und wurde dort auch, vor fast auf den Tag genau 71 Jahren, bei Eiseskälte und unter widrigen Umständen vor 400 Personen uraufgeführt. Trotz oder gerade wegen dieser Umstände konnte Messiaen später sagen: «Niemals wurde mir mit soviel Aufmerksamkeit und Verständnis zugehört.» (mehr …) -
Musikvermittlung: Marketing oder musikalische Bildung?
In der ZEIT gab es kürzlich eine Debatte über Sinn und Unsinn von Musikvermittlung. Dabei ging es um die Frage, ob Musikvermittlung die Anstrengung, die ein komplexes Kunstwerk seinen Rezipienten abverlangt, zu einem «der großen Tabus eines auf allgemeine Erleichterungen gerichteten Angebotsmarkts der Medien, des Kultur- und inzwischen auch des Bildungsbetriebs» mache, wie Holger Noltze behauptet. Oder ob Musikvermittlung nicht so etwas wie eine Landkarte sei, die den Zuhörer durch eine Landschaft führe, die immer sowohl unzugängliche als auch bequem erreichbare Ziele enthalte, wie Christoph Becher dagegen hält. Noltze würde hier Musikvermittlung und Marketing durcheinanderwerfen. (mehr …)