Oper für alle?

Veröffentlicht von Christian Holst am

Was sollen eigentlich immer diese Slogans a la Oper für alle (oder s. auch hier und hier)? Klingt irgendwie politisch korrekt, wenn Steuergelder auf diese Weise allen zu gute kommen sollen. Genausogut kann man es aber als Zeichen für Nachholbedarf in Sachen Marketing verstehen, denn diese Aussage zeugt weder von Marken- oder zumindest Selbstbewusstsein noch von einer sauberen Zielgruppendefinition. Im übrigen würde ich mich nicht mit Sprüchen überzeugen lassen, die mir indirekt unterstellen, gemeiner Pöbel zu sein, der sich Oper normalerweise nicht leisten kann und will, der aber herzlich willkommen ist wenn es darum geht, ein paar Prozentpunkte in der Auslastungsstatistik gutzumachen.

Kategorien: MusikTheater

7 Kommentare

Christian Henner-Fehr · 12. August 2008 um 20:59

Ich würde das nicht so negativ sehen. Es gibt Menschen, die können sich den Opernbesuch wirklich nicht leisten und sind froh, wenn sie die Chance erhalten, für sie bezahlbare Karten zu erwerben.

Die Stehplatzkarten in der Wiener Staatsoper sind ein Angebot, das auch wirklich in Anspruch genommen wird.

Deine Überschrift „Oper für alle“ erinnert mich an Bayreuth und die Großleinwand, auf der sich Wagner im Liegestuhl konsumieren lässt. Auch das sehe ich nicht so negativ. Ich fühle mich nicht beleidigt, wenn mir so ein Angebot gemacht wird. Ich weiß nicht, ob ich mir Wagner im Liegestuhl antun würde, aber wer mal im Sommer vor dem Wiener Rathaus Opernfilme gesehen hat, weiß, dass so ein Open-Air-Angebot etwas sehr Feines sein kann.

Und nachdem der Versuch der Met, Operninszenierungen live in ausgewählte Kinos zu übertragen, wo die Leute auch bereit sind, Eintritt zu zahlen, recht erfolgreich verlaufen ist, betrachte ich das als eine sehr gezielte Marketing-Aktion, um an neue Zielgruppen heran zu kommen. Oder sehe ich das falsch?

CH · 12. August 2008 um 21:27

Nein, das siehst du nicht falsch, obwohl du als Kulturmanager sicher nicht der Oper-für-alle-Typ bist, sondern grundsätzlich prädestiniert. Ich selbst habe in meinem Leben auch schon zuviele Kulturschnäppchen in Anspruch genommen, als das grundsätzlich abzulehnen. Ich wollte diesen Gedanken hier einfach polemisch zuspitzen.

Aber wo du die Bayreuther Festspiele ansprichst: gerade bei Festspielen kann es aber kein ernstgemeinter Ansatz sein, sie für alle öffnen zu wollen. Wenn man die Konzepte für die Leitung der Bayreuther Festspiele liest, dann weiß man auch, dass Public Viewing zu nichts anderem dienen soll, als die Nachfrage nach den begehrten Karten zu steigern und die Wartezeit von 10 auf 12 Jahre hochzupuschen, die Preise erhöhen zu können und somit die Exklusivität des Festivals zu untermauern. Wenn das „Oper-für-alle“-Prinzip allerdings so wenig ernst gemeint wird, ist es eine wirklich ausgebuffte Marketing- und Markenstrategie. 😉

Christian Henner-Fehr · 13. August 2008 um 8:42

Was Bayreuth angeht, kennst Du Dich sicher besser aus als ich. Deren Strategie kenne ich nicht, aber natürlich geht es dort darum, die Nachfrage weiter anzukurbeln und höhere Preise zu erzielen.

Im Endeffekt verfolgt aber jeder Ansatz, ob Oper im Kino oder Public Viewing, dieses Ziel. Die Frage ist nur, ob beispielsweise in Bayreuth eine Grenze überschritten wird, denn schließlich werden die Festspiele auch durch öffentliche Gelder finanziert?

CH · 13. August 2008 um 13:15

In Bayreuth will man, wegen der öffentlichen Finanzierung, nur die oberen Preiskategorien anheben. Mich würde jetzt mal interessieren, wie erfolgreich diese Versuche sind, wieviel Leute tatsächlich für das Bayreuther Livestreaming bezahlt haben oder sich vor einiger Zeit den Chereau-Ring im Kino angeguckt haben. Bislang kann man ja nicht sagen, ob es nur ein Hype sein wird und Oper einfach nur in der Oper funktioniert, oder ob es dauerhaft eine neue Möglichkeit wird, Kultur zu rezipieren.

Christian Henner-Fehr · 13. August 2008 um 22:19

Diesen Zeitungsartikel kennst Du, oder? Wirkliche Zahlen liefert er aber auch nicht.

Was Oper im Kino angeht, scheint die Met wirklich erfolgreich zu sein. Aber Zahlen habe ich leider auch nicht gefunden. Da müsste man mal bei der Met nachfragen.

CH · 13. August 2008 um 22:46

Nein, den kannte ich nicht. Danke für den Hinweis. Ist nicht überraschend, aber trotzdem interessant, bestätigt zu sehen, was man sich selber schon denken konnte. Ob das Met-Konzept in Deutschland funktioniert ist auch noch die Frage, weil es hier, anders als in den USA, in jeder mittleren Stadt eine eigene Oper gibt.

Kulturblogger › Kunst und Kultur: Nicht für alle da · 24. Oktober 2009 um 11:46

[…] von Hochkultureinrichtungen, für alle Bevölkerungsgruppen da sein zu wollen. Projekte wie «Oper für alle» oder Scheinanglizismen wie Public Viewing bezeichnen die Aktivitäten, die diesem Anspruch Rechnung […]

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