Die ersten Ideen für ein Schweizer stARTcamp gehen zurück in das Jahr 2012, wenn ich das richtig erinnere. Und wie das in der Schweiz mitunter so ist, dauert es einfach ein kleines bisschen länger als anderswo. Am vergangenen Montag war es dann aber endlich soweit mit der Schweizer stARTcamp-Premiere. Ca. 50 Camper waren wir im Historischen Museum Basel, das freundlicherweise Räume und Infrastruktur zur Verfügung gestellt hatte. In meinen Augen eine ideale Grösse für ein stARTcamp. Frank Tentler, der extra aus dem Ruhrgebiet angereist war, und Mitorganisator Axel Vogelsang haben bereits ausführliche Rückblicke in ihren Blogs veröffentlicht. Aber da jeder Teilnehmer aufgrund der parallel laufenden Sessions sein ganz individuelles stARTcamp erlebt, fasse ich den Tag hier auch noch einmal aus meiner Sicht zusammen. (mehr …)
Kategorie: Schweiz
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Das Buch ist da! – «Kultur unternehmen»
Es war lange nichts mehr los auf diesem Blog. Der letzte Eintrag stammt von Mitte August. Der wesentliche Grund dafür lag darin, dass die Zeit, die ich normalerweise zum Bloggen erübrigen kann, in die Fertigstellung eines Buches geflossen ist, das nun pünktlich zum Weihnachtsgeschäft erschienen ist. Kultur unternehmen: Wie junge Musiker das Kulturmanagement neu erfinden
heißt es. Darin zeige ich in sechs kurzen Fallstudien zu verschiedenen Arbeitsfeldern des Kulturmanagements, z.B. zu Führung, Innovation, Marketing und PR sowie Kulturvermittlung, wie junge Kulturunternehmer Paradigmen der Kulturmanagementlehre neu definieren und frische Impulse setzen. Grundlage für die Fallstudien sind Interviews mit Kulturunternehmern, die jeweils in mindestens einem der genannten Arbeitsfeldern Beispielhaftes erreicht haben. Meine Gesprächspartner waren
- Meret Lüthi, künstlerische Leiterin des Barockensembles Les passions de l’Ame,
- Steven Walter, künstlerischer Leiter des PODIUM Festivals,
- Tobias Rempe, Geschäftsführer des Ensemble Resonanz,
- Daria van den Bercken, holländische Pianistin,
- Etienne Abelin, Geiger und Kulturunternehmer, Gründer von Superar Suisse und
- Louis Dupras, Geschäftsführer der Camerata Bern.
Auch wenn sich zeigt, dass es den exzellenten Kulturbetrieb nach Lehrbuch nicht geben kann, weil künstlerische Zielsetzungen und organisatorische Rahmenbedingungen immer sehr individuell aufeinander abgestimmt werden müssen, so ist es doch meine Hoffnung, dass dieses Büchlein gewisse Denkanstöße und Ideen gibt, wie zeitgemässes Kulturmanagement oder besser Kulturunternehmertum aussehen kann. Damit das gelingen kann, muss in meinen Augen ein zentrales Paradigma der Kulturmanagementlehre über Bord geworfen werden: Nämlich dass Kulturmanagement eine Hilfsfunktion sei, die das Kunstmachen ermöglichen soll, ohne inhaltlich darauf einzuwirken. Dieser Grundsatz mag theoretisch schlüssig sein, zumal wenn das Geld fürs Kunstmachen vom Staat kommt, der sich die Kunst damit freilich nicht willfährig machen können soll. Der Blick auf die Praxis zeigt jedoch, dass dieser Anspruch naiv und nicht einzulösen ist. Kulturmanagement ist idealerweise eine Funktion, die sich rückstandslos im Kunstmachen auflöst, das natürlich nie frei von sozialen, gesellschaftlichen, politischen, ethischen oder ökonomischen Kategorien stattfinden kann. Sozusagen ganz im Sinne von Goethes Epirrhema: «Nichts ist drinnen, nichts ist draussen; denn was innen, das ist aussen.»
Die Artikel wurden für die Buchveröffentlichung noch einmal überarbeitet, die Interviews von meinen Gesprächspartnern noch einmal gesichtet und ggf. aktualisiert. Neu und bisher unveröffentlicht ist das Einleitungskapitel sowie das ausführliche Interview mit Louis Dupras, dem Geschäftsführer der Berner Camerata. Das Buch ist sowohl in klassischer Papierform als auch als E-Book erhältlich (iTunes, /eBook.de/libri.de). Das gedruckte Buch kostet 8.90 EUR bzw. 13.50 CHF, die E-Book-Variante in den ersten vier Wochen nach Erscheinen 3.99 EUR, danach 5.99 EUR. Rezensionsexemplare können über presse@bod.de bezogen werden. Mein besonderer Dank gilt der Redaktion des KM Magazins, in dem die meisten Artikel zwischen Herbst 2012 und Frühjahr 2013 erstveröffentlicht wurden.
Natürlich freue ich mich über alle Rezensionen und Empfehlungen auf euren Blogs und Kanälen. Und ich freue mich, wenn ich mit dem Buch zu einer Diskussion beitragen kann, wie sich das Kulturmanagement im Sinne eines frischen, zeitgemäßen Kulturlebens weiter entwickeln sollte. Vor diesem Hintergrund plane ich, eine Blogparade zu dem Thema des Buches veranstalten. Dazu dann in Kürze mehr.
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Winterreise
Denn das Schöne ist nichts
als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen,
und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht,
uns zu zerstören.Rilkes Zeilen aus der ersten Duineser Elegie klingen, auf eine künstlerische Darbietung bezogen, erstmal nicht nach einem Lob. Aber eigentlich kann man einem Künstler kein größeres machen. Die Worte beschreiben für mich die perfekte Kunsterfahrung und geben eine Definition von Schönheit, die so pointiert wie vollständig ist. Ich musste an sie denken, als ich kürzlich in einem kleinen Schulsaal saß und Schuberts Winterreise hörte. Ich war mit keinen allzu grossen Erwartungen an das Kulturprogramm der Zürcher Vorstadt zu diesem Liederabend gegangen und umso mehr gefangen von der grossartigen Darbietung von Marret Winger (Sopran) und Steffen Hartmann (Klavier).
Hartmann sagte in einer kurzen Erläuterung zu Beginn des Konzerts, dass Schubert das Gefühl der Fremdheit, das viele Menschen in unserer Zeit erleben würden, vorausgeahnt und antizipiert hätte. Mit ihrer Interpretation machten Winger und Hartmann allerdings deutlich, dass Schuberts und Müllers Werk weit über ein epochenspezifisches Lebensgefühl hinausgeht und vielmehr eine zeitlose menschliche Urangst beschreibt: Die Angst, allein zu sein, nicht gewollt zu sein, die Angst vor Sinnlosigkeit, die so tief geht, dass der Tod zur verlockenden Option wird. Zugleich zeigten sie, wie stark es sich bei der Winterreise um Zukunftsmusik handelt, wie viel Schubert hier in musikalischer Hinsicht vorausgeahnt hat, so modern, brüchig und «mahlerisch» klang manche Stelle an diesem Abend. Denn wie später Mahler entwickelt auch Schubert aus der scheinbar unverfänglichen Form des Liedes abgründige Dramen, deren Erschütterungsfaktor Rilkes Schönheitsdefinition voll und ganz entspricht.
Im kleinen Rahmen mit ca. 40 Konzertbesuchern hat so ein Liederabend eine beklemmende Intensität. In etwa so, als würde jemand bei einem im Wohnzimmer anfangen zu singen, was fraglos eine Zumutung wäre. Und in einem guten, nicht ganz so überrumpelnden Sinne ist es das auch noch in so einem intimen Konzertrahmen, wo die Künstler und Publikum ohne trennenden Bühnenabsatz oder gar Graben auf einander treffen. Es ist ein bisschen so, als würde man im Zoo direkt ins Raubtiergehege gehen und nach dem Motto «Die haben mindestens so viel Angst vor dir, wie du vor ihnen» hoffen, das nichts passiert. Und auch wenn nichts passiert, dann wundert es einen nach einem solchen Konzert nicht, dass Schuberts Freunde verstört reagierten als er ihnen – sich selbst am Klavier begleitend – die Lieder erstmals vorspielte. Auch hier greift das Rilke-Zitat.
Im Nachklang des Konzerts hörte ich auf spotify in verschiedene Interpretationen rein. Eine, die mich total faszinierte, ist die Aufnahme von Nataša Mirkovic De Ro und Matthias Loibner. Loibner begleitet die Sängerin, die mit wunderbar unprätentiöser und zurückgenommener Stimme singt, mit Drehleier. Dieses gebrechliche, schnarrende, klappernde, in jeder Hinsicht unzulängliche Instrument verstärkt noch einmal das Brüchige, Spröde dieses Liederzyklusses.
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Online-Publikation «Zeit für Vermittlung»
Zeit für Vermittlung – so heisst eine Online-Publikation zum Thema Kulturvermittlung, die das Institut für Art Education der ZHdK kürzlich im Auftrag von Pro Helvetia herausgegeben hat. Die Publikation entstand begleitend zum vierjährigen Programm Kulturvermittlung von Pro Helvetia.
Die Publikation möchte zur Weiterentwicklung der Vermittlungspraxis beitragen und als Werkzeug für eine künftige Vermittlungsförderung dienen. In neun übersichtlichen Kapiteln stehen jeweils Kurz- und Vertiefungstexte zur Verfügung. Mittels handlichen Merk- und Printfunktionen können Sie die Publikation nach Ihren Interessen zusammenstellen und downloaden.
heisst es in der offiziellen Ankündigung der Publikation, die lobenswerterweise komplett kostenlos ist.
Die Website ist schlicht und funktionell gemacht, sieht dabei trotzdem gut aus. Auch der Aufbau der Publikation ist sehr sinnfällig. Die Kapitel widmen sich in knapper Form den Grundfragen der Vermittlung: Was ist Vermittlung, was macht gute Vermittlung aus, für wen ist sie, wie wirkt sie, was wird eigentlich an wen vermittelt? Zu jeder dieser Fragen gibt es unter der Rubrik «Perspektivwechsel» einige Praxisbeispiele sowie einen längeren, wissenschaftlicher anmutenden Vertiefungstext. Im Serviceteil gibt es zwei grösser angelegte Fallstudien, ein Glossar, sowie Literaturliste und Materialsammlung. Die Website bietet damit alles, um zu einer Referenzadresse in Sachen Kulturvermittlung im Web zu werden.
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Politisches Erdbeben
In der Schweiz ereignet sich gerade etwas, was Medien wohl gerne als »politisches Erdbeben« oder auch als »Politkrimi« bezeichnen. Gestern waren Bundesratswahlen. Der Schweizer Bundesrat entspricht in etwa der deutschen Bundesregierung. Anders als die deutschen Minister, werden die Bundesräte aber direkt vom Parlament gewählt. Dazu stellt jede der vier großen Parteien entsprechend ihrer Größe Kandidaten zur Wahl. Bei der rechtskonservativen SVP, größte Fraktion im Schweizer Bundesparlament, waren das Samuel Schmid und Christoph Blocher. Letzterer ist so eine Art schweizerischer Markus Söder, nur älter und in sehr viel bedeutenderen Positionen. Auf jeden Fall scheiden sich an ihm schon lange die Geister. Deswegen vereitelten die gegnerischen Fraktionen in einer konzertierten Aktion seine Wiederwahl, indem sie einfach seine Partei-Kollegin mit dem lustigen Namen Eveline Widmer-Schlumpf wählten, obwohl die gar nicht offiziell zur Wahl stand und bisher Kantonspolitik gemacht hat. Diese Aktion wurde streng geheim vorbereitet, so dass niemand etwas ahnte und das Abstimmungsergebnis dann eine echte Sensation, eben ein politisches Erdbeben, darstellte. Eveline Widmer-Schlumpf hatte daraufhin die schwierige Entscheidung zu treffen, ob sie die Wahl annimmt und damit ihre eigene Partei gegen sich aufbringt. Denn die SVP drohte, in die Opposition zu gehen, die es in der Schweizer Konkordanz-Demokratie eigentlich gar nicht gibt, sollte sie ihre offiziellen Kandidaten nicht durchbekommen.
Heute morgen hat Widmer-Schlumpf die Wahl nun angenommen, die SVP hat ihr die Unterstützung versagt und wird jetzt als Opposition alles untergraben, was sie und die Regierung unternehmen. Etliche Leute meinen aber, dass das eigentlich keinen Unterschied mache, weil Blocher schon zuvor das Kunststück gelungen sei, Regierungsmitglied und zugleich Oppositionsführer zu sein.
Bei aller Spannung in dieser Angelegenheit schien es mir doch so, dass alles vergleichsweise unaufgeregt über die Bühne ging und man schnell wieder zur Tagesordnung überging. Zwei beleidigte, aber noch nicht einmal besonders scharf formulierte Erklärungen der SVP und ein paar verbale Muskelspielchen in Interviews, aber das wars dann schon fast. Ich glaube, in Deutschland hättte so ein Coup sehr viel größere Wellen geschlagen und das politische Geschäft für Tage oder Wochen aus dem Tritt gebracht.
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Originelle Grammatik
Die Schweizer und die Deutschen verbindet angeblich eine lang gepflegte Hassliebe. Der Hass kommt dabei von schweizer Seite, die Liebe von deutscher. Vor einiger Zeit ging das in der Schweiz groß durch die Medien. Weil da natürlich viel Stimmungsmache im Spiel war, haben sich zwei Schweizer Schüler ausführlich damit in ihrer »Maturitätsarbeit« beschäftigt. Die wichtigen Erkenntnisse haben sie in einer ausgesprochen gut gemachten Audiodokumentation zusammengefasst. Um Gewinn daraus zu ziehen, muss man allerdings des Schwyzerdütschen einigermaßen mächtig sein, auch wenn es sich hier um eine sehr gepflegte Variante handelt.
Etwas übertrieben wird m.E. der wirtschaftliche Vorsprung der Schweiz dargestellt. Es stimmt sicher nicht, dass ein deutscher Bauarbeiter nur 1440 CHF im Monat verdient (knappe 900 Euro), spätestens nicht mehr, seit der Aufschwung bei den Menschen ankommt. Und die Lebenshaltungskosten sind einfach deutlich teurer. Mein beliebtes Beispiel: ein einfacher Herrenhaarschnitt in Bern ist kaum für weniger als 40 Franken zu bekommen (etwa 25 Euro) – in Bremen gibt es den ab 8 Euro. Also für nicht mal ein Drittel.
Sicher richtig ist dagegen, was zum Sprachproblem gesagt wird. Viele Schweizer reden sehr ungern Hochdeutsch und bedenken dabei nicht, dass ich ihnen ihre originelle Grammatik gerne nachsehe, wenn ich sie dafür ansonsten gut verstehen kann.
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Top of Europe
Heute habe ich einen Ausflug aufs Jungfraujoch gemacht. Die Anfahrt von Bern dauert schlappe 3,5 Stunden, allein die letzten 9 Kilometer mit der Jungfraubahn dauern eine knappe Stunde und kosten 35 Euro (einfache Fahrt). Dort oben, auf im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubenden 3500 Metern Höhe, hat man eine fantastische Aussicht. Zur einen Seite auf das Berner Oberland, die Kleine Scheidegg, das Lauberhorn und bei richtig gutem Wetter angeblich sogar bis zum Schwarzwald und den Vogesen. Und zur anderen Seite auf die 26,5 Mrd. Tonnen Eis des Aletschgletschers. Hier eine kleine Fotostrecke, die zumindest eine leise Ahnung von der prachtvollen Aussicht vermittelt, die man dort oben genießt.
[myginpage=jungfraujoch]
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Mit Segen des Duden
Wenn Schweizer hochdeutsch reden, dann klingt das trotzdem komisch. Nicht nur wegen der etwas rustikalen Grammatik und der charakteristischen Sprachmelodie. Sie benützen(!) auch komische Wörter, die man zwar versteht, die aber trotzdem falsch klingen: »Gegen den Entscheid wurde Einsprache erhoben« oder »In der Vernehmlassung forderte die SP auch Einsitz in den Umweltausschuss«.
Mittlerweile habe ich mich schon so dran gewöhnt, dass es nicht mehr falsch klingt, nur noch merkwürdig. Mitunter benutze ich diese Worte sogar schon selber. Als ich neulich ein Dossier Korrektur las, wollte ich es mit diesen Helvetismen natürlich ganz genau nehmen, stellte aber zu meinem großen Erstaunen fest, dass man solche Sätze mit dem uneingeschränkten Segen des Duden sagen kann!
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Mehr Demokratie
Wenn man einen Aktionstag für Birma macht, dann kann man sich angesichts des Anlasses über die deutschen Verhältnisse natürlich nicht beklagen. Schließlich heißt es deutschen Grundgesetz »Alle Macht geht vom Volke aus«. Das klingt nach lupenreiner Demokratie. Aber wenn man genau liest, dann impliziert dieser Satz auch, dass das Volk keinen Einfluss mehr darauf hat, wo es mit der Macht eigentlich hingeht. Wer ist denn zum Beispiel so naiv zu glauben, Friedrich Merz sei ein Volksvertreter?
Ein geeignetes Gegenmittel wären da meines Erachtens Volksentscheide, wie sie in der Schweiz üblich sind. Volksentscheide sind ein gutes Mittel gegen selbstherrliche Eliten und Politiker und damit auch gegen Politikverdrossenheit. In Deutschland stößt dieser Vorschlag merkwürdigerweise häufig auf Ablehnung, weil man meint, dass dann ja die Bildzeitung das Land regieren würde. Mal abgesehen davon, dass 11,5 Mio. Bildleser weder allesamt zwingend auch die Meinung des Blattes vertreten, noch eine entscheidungsfähige Mehrheit darstellen würden, ist das im Kern eine undemokratische Aussage. Denn Demokratie heißt auch, dass sich einfältige Meinungen von Leuten durchsetzen können, die zum Beispiel zu blöd sind zu verstehen, warum Hartz IV oder andere Reformen Deutschland fit für die Zukunft machen sollen. Das sind dann die Kollateralschäden der Demokratie. Die Herrschaftsform, in der (Bildungs-)Eliten, Fachleute und Experten entscheiden, nennt man übrigens nicht Demokratie sondern Aristokratie, denn das bedeutet: Herrschaft der Besten. De facto gibt es in Deutschland also eine demokratisch legitimierte Aristokratie.
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Die Schweiz wird 716
Dem Mythos zufolge haben sich im Jahre 1291 Vertreter der drei Schweizer Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden auf dem Rütli getroffen und einen Bund geschlossen, der die Unabhängigkeit der Kantone sichern sollte, auf die die Schweizer bis heute so stolz sind. Da der Rütli damit so etwas wie ein nationales Heiligtum ist, übt er nicht nur eine große Anziehungskraft auf Politiker aus, die dort am 1. August Reden halten, wenn sie das Amt des Bundespräsidenten inne haben, sondern auch auf Rechtsradikale. (Witzigerweise und eigentlich fälschlicherweise werden die auch in der Schweiz als Neonazis bezeichnet, obwohl es hier ja keine »Classic Nazis« gegeben hat.)
Das trieb die Sicherheitskosten derart in die Höhe, dass dieses Jahr ursprünglich keine Feier auf dem Rütli stattfinden sollte. Insbesondere die rechtspopulistisch angehauchte SVP vertrat diese Position, obwohl sie sonst keine Gelegenheit für patriotische Feierlichkeiten auslässt. Stattdessen machte sich aber die linksliberale Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey für die Rütlifeier stark und tat einen privaten Sponsoren auf, der die Kosten übernahm und der Bundespräsidentin damit die Möglichkeit eines öffentlichkeitswirksamen Auftritts eröffnete. Jetzt habe ich gelesen, dass die SVP nicht gegen die Feier an sich war, sondern offenbar verhindern wollte, dass erstmals eine Frau auf dem Rütli spricht. Tsss!
Die Rechtsradikalen haben diesmal versucht, die Feier mit Schlauchbooten (schweiz.: »Gummiböötli«) vom Vierwaldstätter See aus zu stürmen, wurden aber mit Wasserwerfern vertrieben. Und irgendwelche Idioten (vielleicht waren das eher Linksradikale?!) haben in der Rütliwiese Feuerwerkskörper vergraben, die per Zeitzünder gezündet wurden. Offenbar ist aber niemand zu Schaden gekommen, weil sie erst explodierten, als die Feier schon weitgehend vorbei war.