Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


Kategorie: Film / TV

  • Filmtipp: Schräger als Fiktion

    Der sehr normale, ziemlich zwanghafte Steuerbeamte Harold Crick (Will Ferrell) stellt eines Tages fest, dass er Held des Romans der Bestseller-Autorin Karen Eiffel ist (Grandios wie immer: Emma Thompson). Das heißt, ihm passieren die Dinge, die Eiffel schreibt. Das ist zuerst noch nicht schlimm, als er sich in eine Steuerhinterzieherin verliebt. Allerdings kommt er irgendwann dahinter, dass noch kein Romanheld von Eiffel die Geschichte überlebt hat. Also kriegt er es mit der Angst zu tun und versucht, die Autorin zu finden und sie persönlich davon zu überzeugen, es diesmal anders enden zu lassen.

    Diese Idee ist sehr unterhaltsam und witzig und abseits der Geschichten und Erzählmuster, die man sonst so aus Filmen kennt. Was mich nur unheimlich gestört hat, war die völlig unglaubwürdige Behauptung im Film, der Roman sei ein großartiges Meisterwerk, der eigentlich nicht anders enden dürfe, als Eiffel es eben am besten kann. Von dem her zu urteilen, was man als Zuschauer von Eiffels Geschichte mitbekommt, ist es ein blödes Buch. Ungefähr so blöd wie ein Coelho-Roman. Der Film ist schließlich auch nicht gut, weil Cricks Geschichte interessant wäre, sondern weil Crick ein merkwürdiger Grenzgänger zwischen Realität und Fiktion ist.

    Die DVD bei Amazon.

  • Kurzrezension: Sopranos, Staffel 3

    Nach einer wirklich lahmen ersten Episode hat sich die 3. Staffel der Sopranos zur bislang eindeutig besten entwickelt. Der Grund: die Geschichten sind gut und die Figuren entwickeln sich und handeln glaubwürdiger als in den ersten beiden Staffeln, insbesondere der zweiten. Die kriminellen Aktivitäten treten etwas in den Hintergrund und die persönlichen Krisen aller Familienmitglieder in den Vordergrund. Tonys Frau Carmela hadert mit der Ehe, Tochter Meadow ist unglücklich verliebt und Anthony Jr. fliegt von der Schule. Höhepunkt der Staffel ist sicher die Beziehung, die Tony mit einer attraktiven Autoverkäuferin, brillant gespielt von Annabella Sciorra, eingeht. Das ist ebenso erotisch wie aufreibend, nicht nur für Tony, sondern auch für den Zuschauer. Grandios übrigens auch das Ende der letzten Folge, wo die gesamte Familie zu einer Beerdigung zusammenkommt. Das kann in seiner filmischen Qualität schon fast mit dem Ende der Paten-Trilogie mithalten. (Naja: fast.)

  • Eindimensional

    Eigentlich ist theater-tv.com eine gute Idee. Die Videos sind, wie die gesamte Seite, gut gemacht. Eine Produktion, von der ich viel schlechtes gehört habe, schien mir vom Film her zu urteilen durchaus einen Besuch wert. Das spricht zumindest aus Theatermarketing-Sicht für grundsätzlichen Sinn und Zweck des Portals.

    Den Anspruch »Kulturinfos in einer neuen Dimension« löst die Seite allerdings nur ein, sofern man die Betonung auf das Wörtchen »einer« legt. Denn die multidimensionalen, unendlichen Weiten des sog. »Web 2.0« bleiben komplett ungenutzt. Warum sind die Videos nicht als Videocast erhältlich? Warum gibt es keine Kommentarfunktion, keine Bewertungsfunktion, keine Einbettungs- oder auch nur Empfehlungsfunktion, um die sog. »viralen Effekte« zu nutzen. Es ist eine Website, die es nur deswegen vor 5 oder 10 Jahren noch nicht hätte geben können, weil die Verbindungen zu langsam waren. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber diese Seite ist wieder ein Beleg dafür, dass »heutige« Kommunikation eben doch nicht das Ding von Theaterleuten ist.

  • Ausweg aus dem Museum?

    »Wir verehren Altes, nur weil es alt ist.« ist eine zentrale These eines Essays aus der Zeit vom 3.1.08 (Siehe auch Kulturmanagement-Blog und Kulturblog.ch). Warum das Berliner Stadtschloss originalgetreu wieder aufgebaut werden soll, gar nicht mal nur konserviert, sondern komplett neu wieder aufgebaut, das verstehe ich tatsächlich auch nicht. Aber ansonsten glaube ich doch eher, dass wir Altes verehren, weil es gut und verehrungswürdig ist. Was überdauert hat, ist ja nur die Spitze eines Eisberges alter Kunst, von dem sich der weitaus größte Teil unter der Wasseroberfläche befindet, soll heißen: verworfen und vergessen ist. Es ist auch nur ein verschwindend kleiner Teil verglichen mit dem, was an zeitgenössischer Kultur rezipiert wird. Zu glauben, diese fände im Museum oder im Theater statt, ist fast ein bisschen rührend. Wer geht schon ins Museum?

    Einen »Ausweg aus dem Museum«, wie Blom das nennt, muss deswegen nur der suchen, der selbst in alten Kategorien denkt und nicht merkt, dass der Botticelli von heute möglicherweise Modefotograph ist und kein Maler und die heute bedeutenden Dramatiker nicht mehr für das Theater schreiben, sondern »Star Wars« oder »2001: A Space Odyssey« und anderes drehen und gedreht haben. Wer im Theater das wirklich »Heutige« sucht, wird dort deswegen trotz allen Regietheaters nicht fündig werden. Das Theater war das authentische Medium von Shakespeare, Schiller, Verdi und anderen. Heute ist es als Institution selbst Museum und als solches hat es seine Nische verdient. Museen freilich auch, aber die machen in der Regel auch keinen Hehl draus, dass es bei ihnen Altes zu sehen gibt.

  • Filmkritik: Crossroads

    Unterhaltungsprogramm im Zug: der Blues-Film Crossroads. Die Geschichte ist eigentlich so einfach wie der Blues selbst: Willie Brown hatte vor langer Zeit dem Teufel seine Seele dafür versprochen, dass er ihn den wahren Blues lehrt. Jetzt, wo er 80 ist, will er den Vertrag lösen und benutzt den blues-versessenen, Gitarre spielenden Juilliard-School-Studenten Eugene Martone dazu, ihn zurück zu den Crossroads in Mississippi zu bringen, wo er einst den Pakt mit dem Teufel schloss.

    Auf der beschwerlichen Reise nach Mississippi lernt Eugene den wahren Blues, den man an keiner Akademie lernen kann. An der Juilliard School schon gar nicht. Eugene verliebt sich unglücklich, sie werden von der Polizei aufgeschnappt, sie schlafen in Scheunen, kriegen es mit Zuhältern und anderen zwielichtigen Personen zu tun etc. Schließlich treffen sie den Teufel, der nach einigen Verhandlungen bereit ist, den alten Mann aus dem Vertrag zu lassen, wenn Eugene gegen einen »Teufels-Gitarristen« (gespielt von Steve Vai) ein Duell gewinnt. Viele, viele Töne werden ausgeteilt bevor am Ende natürlich Eugene einen klaren K.O.-Sieg verbuchen kann. Ironischerweise ist es aber ein auf der Juilliard School und nicht auf der Straße gelerntes Stück, das dem »Bluesman« die Seele rettet: das Cappriccio Nr. 5 vom »Teufelsgeiger« Nicolo Pagagini. Bei diesem Beinamen muss man auch hier sagen: ironischerweise.

    Guckst du hier:

  • Totale Sicherheit

    Kürzlich sah ich Minority Report. Ein ziemlich guter Film. Wenn man so will trotz Tom Cruise, der ja nicht gerade ein besonders guter Schauspieler ist. Sonst hätte er wohl bei der Bambi-Verleihung auch nicht in der fragwürdigen Kategorie »Mut« ausgezeichnet werden müssen und sich vielleicht auch nicht mit seiner Dankesrede blamiert. (»Es lebe das heilige Deutschland!«)

    Wie auch immer, Minority Report hat eine intelligente, gute Geschichte, die nachher doch nicht so vorhersehbar ist, wie es zunächst scheint. Für die handelnden Figuren ebenso wie für den Zuschauer. Das Gute an dem Film ist aber vor allem das Zukunftsszenario, das er zeichnet. Zum Beispiel personalisierte Werbung im Kaufhaus dank Iris-Scan am Eingang. Das ist einerseits (noch) eine witzige Vorstellung, andererseits aber auch nur Tendenzen der heutigen Werbung und Kundenbindung konsequent weiter gedacht. Der Film macht so auf anschauliche (weil natürlich auch etwas überspitzte) Weise klar, welche Folgen die totale Durchleuchtung der Menschen hat, die eigentlich doch nur den totalen Service und die totale Sicherheit verspricht. Angesichts der sicherheitspolitischen Diskussionen, die gerade geführt werden, wird einem da direkt mulmig. Siehe dazu z.B. hier.

  • Mit oder mit ohne Kruste

    Gerade habe ich mir die Verfilmung von Herrn Lehmann auf DVD angesehen. Das Buch hatte mir ganz gut gefallen, aber dem Film merkt man leider an, dass er von einem Theatermann gemacht wurde, nämlich von Leander Haußmann. Die leicht absurde Banalität der Geschichte, die im Buch subtil, ironisch und genau beobachtet ist, wird hier bedeutungsschwanger und mit großer Geste ausgespielt: »Schweinebraten mit Kruste oder mit ohne Kruste? Das ist hier die Frage!« Und zwar eine ganz existenzielle. Es fehlt das Subtile, das Lockere, das Spöttische, das das Buch ausgemacht hat - all das, was »zwischen den Zeilen« steht, wie es so schön heißt. Aber ohne das ist »Herr Lehmann« nichts weiter als eine etwas zusammenhangslose, ziemlich langweilige Geschichte über einen Typen, der sein Leben nicht so recht auf die Reihe bekommt.

  • Ratatouille

    Am Wochenende war ich endlich in Ratatouille, dem neuen Pixar-Film. Wie erwartet ist er super gemacht, ein echtes Ideenfeuerwerk, viel Liebe zum Detail und erzählt eine Geschichte, die für einen Animationsfilm geradezu ambitiös ist. Gerade weil sich die Macher aber nicht von Gag zu Gag hangeln, war der Film nicht ganz so witzig, wie ich es erwartet und erhofft hatte. Trotzdem absolut sehenswert!

  • Preisgekrönt

    Durch ein Interview mit Ulrich Mühe, dass ich neulich hörte, bekam ich Lust, mir jetzt doch mal Das Leben der Anderen anzusehen. Vorher hatte mich der Film eigentlich nicht näher interessiert, weder als er im Kino lief, noch als er einen Oscar gewann. Aber es ist zweifelsohne ein hervorragender Film: gute Schauspieler, gute Geschichte und unabhängig davon interessant, weil er ohne zu moralisieren, aber sehr eindringlich den Stasi-Wahnsinn beschreibt.

    Kein guter Film dagegen ist Vier Minuten, den ich gesehen habe, weil die Schlusssequenz meinerzeit im Oldenburgischen Staatstheater gedreht wurde. Aber das ist auch fast das einzig Sehenswerte an dem Film. Die Charaktere sind unbeholfen gezeichnet, ihre inneren Konflikte banalpsychologisch erklärt (besonders, was die Klavierlehrerin angeht). Dazu strahlt der Film von der ersten Minute eine bleierne Bedeutungsschwere aus, die aber nicht eingelöst wird. Ich habe jedenfalls nicht verstanden, was er mir sagen sollte. Warum der die ganzen Preise bekommen hat – wirklich keine Ahnung!! Und tauche ich wohl als freundlicher Ansprechpartner des Oldenburgischen Staatstheaters in den Credits auf? Natürlich nicht!

  • Kleines Fernsehspiel vorm Fenster

    Für gestern und heute ist eine repräsentative Auswahl von Prenzlauer-Berg- und Berlin-Mitte-Bewohnern in unserer Straße eingefallen, um im Haus gegenüber ein kleines Fernsehspiel für ZDF/Arte zu drehen. In unserem Esszimmer hat man den perfekten Logenplatz, um die ca. 30 aufstrebenden, umher wuselnden Filmemacher bei der Arbeit zu beobachten. Obwohl wuseln ist eigentlich ziemlich übertrieben, denn die meiste Zeit stehen sie an dem provisorisch aufgebauten Büffet und trinken Kaffee. Das ist zwar nicht so aufregend wie die gelegentlichen Polizeigroßeinsätze, die einem anderen Nachbarhaus gelten, aber trotzdem ganz interessant, das einmal ganz aus der Nähe mitzubekommen.