Social Media-Ranking der Kulturinstitutionen

Kaum eine Alltagsbeobachtung, die nicht irgendwann durch eine Studie bestätigt und so geadelt wird: Die deutschen Kulturinstitutionen hinken im Vergleich mit britischen und amerikanischen Kultureinrichtungen im Social Web hinterher. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Unternehmensberatung actori, die Fan- und Followerzahlen der Kultureinrichtungen unterschiedlichster Sparten in Verhältnis zur Besucherzahl auswertet. Spitzenreiter mit grossem Abstand sind die Berliner Philharmoniker, sie haben weit mehr Fans als Besucher.

Leider ist die Studie kaum mehr als eine Zusammenstellung von verschiedenen Rankings. Dort, wo es eigentlich anfängt, spannend zu werden, wird sie einsilbig. Zum Beispiel wird das Einsparpotenzial durch Social Media thematisiert. Den Verfassern der Studie zufolge liegt es bei bis zu 15%, was bei einem Marketingbudget von einer halben Million Euro immerhin 75’000 Euro ausmachen würde. (mehr …)

Toi toi toi – Aberglaube im Dienst der Aufklärung

Eins meiner Lieblingsthemen in diesem Blog ist ja der Widerspruch des Theaters, einerseits aufklärerisches Forum und Demokratieschule sein zu wollen und andererseits wie keine andere Institution alten, vordemokratischen Strukturen zu huldigen und anachronistische Medientechnologie zu verwenden. In diesen Widerspruch passt auch der ausufernde Aberglaube, der bis heute am Theater kultiviert wird und so gar nicht zu dem aufgeklärten Anspruch passen will. Da wird zum Beispiel das abergläubische Ritual betrieben, sich vor einer Premiere drei Mal über die linke Schulter zu spucken oder «Toi toi toi!» zu rufen, um den Neid böser Geister zu bannen bzw. den Teufel fern zu halten. Für einen Ahnungslosen ein Minenfeld. Denn man muss wissen, dass man auf solchen Wunsch weder mit einem Danke antworten noch sich in der Schulter irren darf, wenn man das Unheil nicht geradewegs heraufbeschwören möchte. Aber von welcher Perspektive aus ist links eigentlich gemeint? Aus Sicht des Spuckers oder des Bespuckten? (mehr …)

Die Elbe als Opernbühne

Ja, es kann passieren, dass ein Opernabend mal «unterirdisch» ist. Und vielen Opernhäusern steht das sinnbildliche Wasser «bis hier» was die Finanzen angeht. Aber wie soll man das jetzt nennen? In Dresden hatte gestern eine Unterwasseroper mit dem Titel «AquAria_PALAOA – Das Alter der Welt II» Premiere. Zu erfahren ist, Weiterlesen…

Wagners Ring: Hollywood avant la lettre

Klaus Zehelein ließ kürzlich verlauten, dass er es für das beste hielte, man würde den Ring des Nibelungen im bevorstehenden Wagner-Jahr 2013 gar nicht spielen. Entgegen diesem Vorschlag sind in dieser und der nächsten Spielzeit ein Dutzend neuer Inszenierungen an deutschen Bühnen in Arbeit. Selbstverständlich auch in Bayreuth, wo nach einer Absage von Wim Wenders jetzt Frank Castorf Regie führen soll. Dass in Bayreuth oder anderswo viel Nennenswertes dabei zu Tage kommen wird, bezweifle ich wie Zehelein, der den Ring für interpretativ ausgeschöpft hält. Wobei: Lohnenswert wäre es in meinen Augen, eine musikalisch wie szenisch „historisch informierte“ Aufführung des Rings zu versuchen. Das heißt, so gut es eben möglich ist, die Bedingungen und Vorstellungen einer guten Aufführung aus der Entstehungszeit herzustellen. Die Alte-Musik-Spezialisten haben gezeigt, welche Aha-Erlebnisse solch ein Ansatz im musikalischen Bereich mit sich bringen kann und für Inszenierungen wäre es mal eine echte Sensation. (mehr …)

Mind the gap: Unternehmensethischer Anspruch und Realität an Theatern

Auf Postdramatiker wurde gerade eine wissenschaftliche Arbeit rezensiert, die sich mit Unternehmensethik im Kulturbetrieb, speziell in Theatern, beschäftigt. Der Autor Daniel Ris hat dazu u.a. eine Reihe von Theater-Intendanten befragt, wie sie es mit dieser Frage an ihrem Haus halten. Eine zentrale Erkenntnis aus diesen Interviews ist, das fast ausnahmslos ein krasser Widerspruch besteht zwischen dem ethischen Anspruch, der auf der Bühne formuliert wird – Stichwort: Theater als moralische Anstalt – und der Realität, die in Bezug auf Arbeitsbedingungen, Organisationsstruktur etc. gelebt wird. Diese Erkenntnis ist eigentlich nicht so erstaunlich. Erstaunlich ist eher, dass dieser Widerspruch praktisch allen befragten Intendanten bewusst zu sein scheint. Trotzdem stellt offenbar keiner Überlegungen an, wie sein Betrieb diesbezüglich zu modernisieren wäre, sondern zieht sich auf das intelligenten Menschen eigentlich nicht würdige Argument zurück, es gehe halt nicht anders, die Qualität des Theaters würde sonst darunter leiden. (mehr …)

Hochkultur als Leitkultur?

In der aktuellen Ausgabe des KM Magazins ist nicht nur ein von mir verfasster Rückblick auf das Symposium Kultur digital – ich weiß, ich wiederhole mich – sondern auch ein Rückblick auf die Jahrestagung des Fachverbands Kulturmanagement von Dirk Heinze (S.52ff.). Auf der Jahrestagung wurde offenbar u.a. die Frage diskutiert, ob Hochkultur denn noch Leitkultur sei und nur wenn ja, könne ja eine öffentliche Finanzierung gerechtfertigt werden. Die Frage, was Leitkultur denn eigentlich ist, scheint mir dabei eigentlich viel schwieriger zu beantworten zu sein, als die, ob Hochkultur denn Leitkultur ist.
Spontan verstehe ich unter Leitkultur Kultur, die etwas Charakteristisches über unsere Zeit, Gesellschaft, Werte, Komplexe, Obsessionen etc. mit den ästhetischen Mitteln unserer Zeit sagen kann. Hochkultur – das habe ich hier schon mehrfach beschrieben – benutzt aber zumeist museale Technologien und Medien (Theater, Orchester, Leinwand etc.), deren ästhetische Grenzen gründlich ausgelotet, um nicht zu sagen ausgereizt, sind. Sie kann deswegen gar keine zeitgemäße oder gar zukunftsorientierte Ästhetik vertreten. (mehr …)

«Episch verseucht» – Die Theaterspielpläne der kommenden Saison

Schon häufiger habe ich darüber geschrieben, dass Theater heute zwangsläufig «museal» seien, auch wenn es in der Szene kaum einen schlimmeren Makel als ebendieses Etikett zu geben scheint. FAZ-Theaterkritiker Gerhard Stadelmeier macht’s jetzt fest an den Schauspiel-Spielplänen der nächsten Saison, die nach seiner Ansicht zu einem großen Teil «episch verseucht» Weiterlesen…